Blinder Fleck in Ermittlungen: Türkei vernachlässigt Menschenrechtsverbrechen in Efrîn

Das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte, gemeinsam mit der Organisation „Syrer für Wahrheit und Gerechtigkeit”, verschiedenen Menschenrechtsgruppen und Partnern, hat eine bedeutende juristische Initiative ergriffen. In einer gemeinsamen Anstrengung mit sechs Überlebenden von Verstößen in der Region Efrîn im Nordwesten Syriens reichte die Koalition eine Strafanzeige bei der Deutschen Bundesanwaltschaft ein.

Die Anzeige, datiert auf den 18. und 2. Januar, unterstreicht die Forderung nach einer gründlichen Untersuchung der begangenen Verbrechen durch von der Türkei unterstützte Fraktionen in der Region Efrîn. Die beteiligten Parteien betonen dabei die Dringlichkeit, Gerechtigkeit für die Opfer dieser Verstöße zu gewährleisten.

Der genaue Umfang der Anschuldigungen bleibt vorerst unter Verschluss, aber es wird spekuliert, dass die Anzeige auf schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen abzielt. Die sechs Überlebenden, die sich der Anzeige angeschlossen haben, sollen dabei eine Schlüsselrolle bei der Aufdeckung und Dokumentation der Verstöße spielen.

In Efrîn stehen schwere Vorwürfe im Raum, die von der Organisation „Syrians for Truth and Justice” und anderen Parteien in einer kürzlich eingereichten Beschwerde erhoben wurden. Bassam Al-Ahmad, Exekutivdirektor der genannten Organisation, prangert weit verbreitete und systematische Menschenrechtsverletzungen an, denen die Bewohner von Efrîn, insbesondere die Kurden, seit 2018 ausgesetzt sind.

Die Anschuldigungen reichen von willkürlichen Verhaftungen über das Verschwindenlassen von Menschen bis hin zu Folter, sexueller Gewalt und der unrechtmäßigen Beschlagnahmung indigenen Eigentums durch Plünderung und Zwang. Al-Ahmad betont, dass die Bevölkerung zusätzlich durch hohe Steuern belastet wird, während Vertriebene daran gehindert werden, in ihre Häuser zurückzukehren.

Ein entscheidender Wendepunkt war die Militäroperation „Olivenzweig”, die am 19. Januar 2018 begann. Mit dieser Operation bombardierten bewaffnete Milizen, verbündet mit der „Syrischen Nationalarmee”, die Region, was zu weiteren Spannungen und einer offensichtlichen Absicht führte, die verbliebene Bevölkerung zur Flucht in die Türkei zu drängen.

Weiterhin äußerte sich in der Pressemitteilung Patrick Crocker, ein Vertreter des Europäischen Zentrums für Verfassungs- und Menschenrechte, Bedenken über den Mangel an Aufmerksamkeit seitens der Bundesanwaltschaft für Menschenrechtsverbrechen in Efrîn, Syrien. Crocker betonte, dass, obwohl die Bundesanwaltschaft seit 2011 zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in Syrien untersucht, die Gräueltaten, die von islamischen Milizen gegen die kurdische Bevölkerung in Nordsyrien begangen wurden, bisher ein blinder Fleck in diesen Ermittlungen darstellen.

Seit dem 18. März 2018, als die Türkei und ihre Verbündeten die Kontrolle über die Region Efrîn übernahmen, dokumentierten Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte schwerwiegende Verstöße gegen die indigene Bevölkerung. Diese reichen von Tötungen und Entführungen bis zur Vertreibung von Hunderttausenden, Folter, dem Verschwindenlassen von Menschen und der rechtswidrigen Beschlagnahmung von Eigentum.

In der Klageschrift hebt die Bundesanwaltschaft Deutschlands ihre Ermittlungen insbesondere auf die Verbrechen des Assad-Regimes und extremistischer Gruppierungen in Syrien hervor, darunter die Al-Nusra-Front und der IS. Das erlittene Leid der Zivilbevölkerung in den vorwiegend kurdisch geprägten Regionen im Nordwesten Syriens wurde bisher jedoch nicht angemessen behandelt.

In einem exklusiven Gespräch mit dem Magazin „Der Spiegel” äußerte sich ein Überlebender von Übergriffen durch von der Türkei unterstützte Fraktionen in Efrîn. Selbst drei Jahre nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wird er weiterhin von schmerzhaften Albträumen geplagt. Er beschreibt die Geschehnisse in Efrîn als äußerst grausam und betont: „Die Menschen dort leben nach wie vor unter ähnlichen Bedingungen. Mein Leben habe ich der Mission gewidmet, die Welt auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Ich hoffe darauf, dass Gerechtigkeit geschieht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.”

Enthüllungen über Grausamkeiten in Efrîn

Im deutschen Magazin „Der Spiegel” wurden schockierende Berichte von Überlebenden der Übergriffe in Efrîn veröffentlicht. Ein Prozessbeteiligter, als „Z9” anonymisiert, erzählte von seinem Martyrium, nachdem er am Kontrollpunkt von Beamten mit den Emblemen der „Syrischen Nationalarmee” und dem türkischen Staatsabzeichen konfrontiert wurde.

Am Kontrollpunkt erkannte der Überlebende, dass die angreifenden Beamten Uniformen mit zwei Flaggen trugen. Das Emblem der „Syrischen Nationalarmee” zierte den linken Ärmel, während auf der rechten Seite ein türkisches Staatsabzeichen prangte. Um ihre Identität zu verschleiern, banden sie kurzerhand ein Stück Stoff um ihre Uniformen.

Der Überlebende wurde nach dem Vorfall ins Gefängnis gebracht, wo er Opfer von brutalen Misshandlungen wurde. Berichten zufolge erlitt er Schläge, Tritte und sogar das Einstechen von Nadeln unter die Fingernägel. Unter Druck gesetzt, ein Geständnis über eine angebliche Verbindung zur Arbeiterpartei Kurdistans abzulegen, widerstand er den Zwangsmethoden der Verantwortlichen.

Als neunter Zeuge in einer Strafanzeige, die diese Woche bei der Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe eingegangen ist, schildert „Z9” seine Verlegung in ein anderes Gefängnis in der Region Efrîn. Dort wurde er erneut Opfer schwerer Folter und wurde Zeuge von schockierenden sexuellen Übergriffen.

Parallel dazu hat das deutsche Magazin „Der Spiegel” durch vor Ort durchgeführte Felduntersuchungen die Anschuldigungen der Türkei und ihrer angeschlossenen Fraktionen im Zusammenhang mit Verstößen und Angriffen auf zivile Ziele in Efrîn bestätigt. Die Berichte zeigen auch die Einführung einer als „ungerechte Anti-Kurdische Herrschaft in der Region” bezeichneten Politik. Arabische Bewohner der Region bestätigen zudem Repressionen und Verstöße, einschließlich ständiger Verhaftungen, Entführungen und Plünderungen gegen die indigene kurdische Bevölkerung.

Felduntersuchungen vor Ort belegen, dass auch arabische Bewohner der Region die vorliegenden Repressionen bestätigen. Systematische Maßnahmen wie ständige Verhaftungen, Entführungen und Plünderungen belasten die Bevölkerung. „Der Spiegel” hebt dabei besonders hervor, dass die Verhaftung kurdischer Frauen zu einem weitreichenden und bandenbezogenen Geschäft geworden ist.

Ein weiterer Aspekt, den das Magazin anspricht, ist die erpresserische Praxis von arabischen Elementen, die unter türkischem Kommando agieren. Pro Familie verlangen sie Lösegeldbeträge zwischen 500 und 1000 Dollar, um deren Verhaftung und Auslieferung zu verhindern.

Syrischer Journalist Roj Musa, der in der Region Efrîn lebt, wird ebenfalls vom „Spiegel” zitiert: „Auch in den besetzten Gebieten muss es Regeln geben, aber in Efrîn herrschte bisher das Gesetz des Dschungels, da die Türkei selbst darin versagt hat, ihre Rolle als Besatzungsmacht zu erfüllen.“

Die Opfer der Verstöße, die von der Türkei und ihren angeschlossenen Gruppierungen in Efrîn begangen wurden, hegen große Hoffnungen, dass ihnen durch laufende Strafanzeigen Gerechtigkeit widerfahren wird. Diese Anzeigen sollen nicht nur die Täter von Verbrechen und Verstößen vor dem Gesetz zur Rechenschaft ziehen, sondern auch eine dringend benötigte Beendigung der Verbrechen gegen die indigene Bevölkerung in Efrîn bewirken. Nach Ansicht zahlreicher syrischer Menschenrechtsorganisationen handelt es sich dabei um Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Im Juni 2016 veröffentlichte Human Rights Watch einen Bericht, in dem festgestellt wurde, dass von der Türkei unterstützte bewaffnete Gruppen in Syrien das Eigentum kurdischer Zivilisten beschlagnahmt, geplündert und zerstört haben. Ebenso haben sie Mitglieder in den Häusern indigener Völker in Afrin im Nordwesten Syriens untergebracht. Im August desselben Jahres veröffentlichte Amnesty International einen Bericht, der besagte, dass die Türkei syrische bewaffnete Gruppen entsandte, um schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilisten in Afrin, Nordsyrien, zu begehen. Diese Verletzungen umfassen willkürliche Festnahmen, gewaltsames Verschwindenlassen, Beschlagnahme von Eigentum und Plünderungen – ein Hinweis darauf, dass die türkische Armee bei diesen Verbrechen die Augen verschließt.

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