Intensivierter Druck auf syrische Geflüchtete in der Türkei im Vorfeld der Wahlen

 

Ali Omar

Mit den bevorstehenden Kommunalwahlen rückt das Thema der syrischen Flüchtlinge in der Türkei erneut in den Fokus. Sowohl die Regierung als auch die Oppositionsparteien nutzen diese Gelegenheit, um das Thema für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren. Dies geschieht in einer Zeit, in der die Abschiebungen in die umkämpften Gebiete in Nordsyrien spürbar zunehmen, begleitet von einer beispiellosen Verfolgungs- und Inhaftierungskampagne gegenüber den Geflüchteten. Letztere werden gedrängt, sogenannte „Dokumente für eine freiwillige Rückkehr” zu unterzeichnen.

Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat bestätigt, dass die türkischen Behörden Hunderte von syrischen Geflüchteten gegen ihren Willen in die umstrittenen Gebiete an der Grenze zu Syrien abgeschoben haben. Dies wirft Fragen auf, da die türkischen Sicherheitsbehörden offenbar die Fingerabdrücke der Geflüchteten aufnehmen, um sicherzustellen, dass eine Rückkehr in die Türkei ausgeschlossen ist. Zudem wurden die Flüchtlinge gezwungen, ihre Fingerabdrücke auf den Dokumenten zu hinterlassen, um die Rückkehr nach Syrien als angeblich „freiwillig” zu deklarieren.

Mobile Einwanderungsbüro

Bereits Ende September letzten Jahres verkündete der türkische Innenminister Ali Yerli Kaya, dass rund 43.000 Flüchtlinge, darunter Syrer, zwischen dem 1. Juni und dem 22. September abgeschoben wurden. Zugleich kündigte er die Einführung des Mechanismus der „mobilen Einwanderungsbüros” an, die zur Verfolgung illegaler Flüchtlinge dienen und diese in temporären Haftanstalten für ihre bevorstehende Abschiebung festhalten sollen. Dieser Mechanismus soll ab Anfang Dezember landesweit implementiert werden, nachdem er bereits in einigen Bundesstaaten erprobt wurde.

Zusätzlich kündigte die türkische Regierung an, diese „mobilen Einwanderungsbüros” sogar in Fußballstadien integriert werden sollen, was darauf hinweist, dass die Regierung Flüchtlinge nun einschränkt, nachdem sie sie über Jahre hinweg für finanzielle und politische Vorteile ausgenutzt hat.

Die Ankündigung von Innenminister Ali Yerli Kaya erfolgte mehr als einen Monat nach der Erklärung des türkischen Präsidenten Recep Erdogan über einen „dreigliedrigen Mechanismus” aus dem Innenministerium, der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung und ihrem parlamentarischen Block zur Überwachung der Abschiebung syrischer Flüchtlinge in die besetzten syrischen Gebiete.

Die Entwicklungen deuten auf eine mögliche Einbeziehung der syrischen Stadt Aleppo in den Plan hin, um Millionen von Flüchtlingen dorthin zurückzuführen, was erhebliche Auswirkungen auf die Situation der syrischen Flüchtlinge und die politische Landschaft der Türkei haben könnte. Die Entwicklungen in den kommenden Monaten werden daher von größtem Interesse sein, da die Türkei vor einer wichtigen Wahlperiode steht. Außerdem ist die Integration von Einwanderungsbüros in Fußballstadien ist ein deutliches Zeichen für die Veränderung der Politik, die bisher Flüchtlingen offen gegenüberstand. Es stellt sich die Frage, ob die türkische Regierung nun versucht, die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen einzuschränken und sie in bestimmte Gebiete zu lenken.

Ausbeutung von Flüchtlingen aus Profitgründen:

In einem Bericht von Human Rights Watch wurde die Türkei wegen ihrer Praxis der Zwangsabschiebung syrischer Flüchtlinge in die besetzten Gebiete im Norden Syriens scharf kritisiert. Die Organisation wirft den türkischen Behörden vor, Tausende von Geflüchteten willkürlich und gegen ihren Willen verhaftet und abgeschoben zu haben.

Der Direktor der Menschenrechtsorganisation „Kurden ohne Grenzen”, Kadar Peri, äußerte sich in einem Interview mit der Target-Plattform zu dieser Situation. Peri betonte, dass die Abschiebungen nicht nur eine humanitäre Katastrophe darstellen, sondern auch in einem größeren politischen Kontext zu sehen sind.

Die Türkei verfolgt nach Peris Einschätzung gleich mehrere Ziele mit diesen Zwangsabschiebungen. Zum einen soll der Prozess des demografischen Wandels in den besetzten Gebieten, darunter Afrin, Tal Abyad und Ras al-Ain stabilisiert werden. Dies könnte zu dauerhaften Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur führen und die politische Landschaft in diesen Regionen beeinflussen.

Darüber hinaus wird vermutet, dass die Türkei versucht, ihre innenpolitische Krise zu bewältigen, die von wirtschaftlichen Problemen, hoher Arbeitslosigkeit und einer wachsenden Fremdenfeindlichkeit geprägt ist. Syrische Flüchtlinge werden hierbei zum Sündenbock gemacht, und ihre Abschiebung dient dazu, Wahlversprechen zu erfüllen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

UN-Gespräche mit Damaskus über die Rückkehr von Flüchtlingen

Die Vereinten Nationen führten Gespräche mit der syrischen Regierung über die Bedingungen für die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge in ihr Heimatland. Dies bestätigte der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Filippo Grandi, während eines Briefings vor dem UN-Sicherheitsrat vor einigen Tagen. Er informierte die Weltpolitiker über die laufenden Verhandlungen und betonte die Notwendigkeit, Bedingungen für eine „sichere Rückkehr” der syrischen Geflüchteten zu schaffen.

Die Gespräche, die zwischen der UN-Agentur und der syrischen Regierung geführt werden, zielen darauf ab, eine umfassende Strategie zu entwickeln, die nicht nur die Rückkehr der Geflüchteten ermöglicht, sondern auch ihre grundlegenden Rechte und ihren Schutz sicherstellt. Dazu gehören der Zugang zu elementaren Dienstleistungen, Wohnraum und finanzieller Unterstützung.

Allerdings bleiben die Bemühungen der Vereinten Nationen nicht ohne Herausforderungen. Filippo Grandi wies in seinem Bericht auf die dringende Notwendigkeit einer finanziellen Unterstützung hin. Vor Jahresende benötigt das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) dringend 600 Millionen US-Dollar, um die dringende Hilfe für die betroffenen Flüchtlinge bereitzustellen. Grandi warnte zudem vor den „düsteren Aussichten” für das kommende Jahr, da bedeutende Geber ihre Unterstützung kürzen und andere Länder sich nicht an multilateralen Hilfsmaßnahmen beteiligen.

Eine weitere Herausforderung liegt in der mangelnden finanziellen Unterstützung für die Friedensstiftung, während die humanitären Helfer verstärkt aufgefordert werden, den Menschen vor Ort zu helfen. Diese Abhängigkeit von Staaten und die knappen finanziellen Ressourcen werfen ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Umsetzung der Rückkehrprogramme auf.

Nichtsdestotrotz sind die Bedingungen in Syrien nach wie vor kritisch, sowohl lokale als auch internationale Menschenrechts- und humanitäre Organisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International bestätigen. Der anhaltende Konflikt in einigen Teilen des Landes und die anhaltende Wirtschaftskrise machen die Rückkehr der Flüchtlinge äußerst schwierig. Die Wirtschaftskrise hat das Land schwer getroffen und die grundlegende Infrastruktur weitgehend zerstört. Der anhaltende Krieg und die Bedrohung von Verhaftungen und Verletzungen durch die syrischen Sicherheitsdienste verschärfen die Herausforderungen.

Die UN-Untersuchungskommission für Syrien hat mehrere Fälle dokumentiert, bei denen syrische Flüchtlinge aus Nachbarländern, insbesondere dem Libanon, in ihre Heimat zurückgekehrt sind, nur um dort von Regierungstruppen festgenommen und misshandelt zu werden. Einige von ihnen wurden sogar erpresst, während viele, einschließlich Kinder, nach ihrer Festnahme vermisst sind. Diese Berichte betonen die anhaltende Unsicherheit, selbst in Gebieten, die weit entfernt von den Frontlinien des Konflikts liegen, was die Möglichkeit einer sicheren Rückkehr der Flüchtlinge in Frage stellt. Die Vereinten Nationen drängen daher darauf, Programme zu stoppen, die eine vorzeitige und unsichere Rückkehr der syrischen Flüchtlinge fördern könnten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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