Interview mit einen armenischen Parlamentsabgeordneten :Die Türkei hat Söldner aus Syrien nach Karabach gebracht

Die armenischen Behörden haben bekannt gegeben, dass mehr als die Hälfte aller Einwohner aus dem Gebiet rund um Nagorno-Karabach in Richtung Armenien bis zum vergangenen Mittwoch vertrieben worden sind. Diese Vertreibungen erfolgten seit Beginn der Angriffe Aserbaidschans auf die von ihnen als Separatisten deklarierten Armenier, während die Türkei ihrem Verbündeten in Baku diplomatische, politische und militärische Deckung gewährt, um weitere Operationen auf dem Gebiet durchzuführen, die als Verbrechen der ethnischen Säuberung beschrieben wurden. Dies geschieht inmitten eines Territoriums, das Schauplatz eines der langwierigsten internationalen Konflikte ist.

Um die derzeitigen Ereignisse besser zu verstehen, hat die Target Media Plattform Dr. Arthur Khachatryan, einen armenischen Parlamentsabgeordneten, interviewt, der exklusive Informationen bezüglich der Maßnahmen des türkischen Regimes bei der Unterstützung Bakus preisgab und darauf hinwies, dass Ankara insbesondere Söldner aus Nordsyrien von Afrin nach Berg-Karabach entsendet hat, um die aserbaidschanischen Streitkräfte zu unterstützen, denen er vorwarf, in dieser Region ethnische Säuberungen gegen die Armenier durchzuführen.

 

Text des Dialoges:

Was passiert gerade in Nagorno-Karabach und welche Rolle spielt hierbei die Türkei?

In diesem Moment begeht Aserbaidschan ethnische Säuberungen und einen Völkermord in Nagorno-Karabach gegen die armenische Bevölkerung. Nach bereits 44 Tagen des Krieges hat Aserbaidschan inzwischen die volle Kontrolle über 75% des Gebietes erlangt. Obwohl ein trilaterales Waffenstillstandsabkommen mit Eriwan und der Russischen Föderation unterzeichnet wurde, fanden systematische Verletzungen gegen die Verpflichtungen des Abkommens statt, die in diesem Rahmen vom ersten Tag des Abschlusses hätten eingehalten werden müssen.

Baku führte militärische Schläge gegen Berg Karabach durch und intervenierte in den größten Teil des Territoriums der Region; ebenso wurden militärische Angriffe gegen die armenische Republik durchgeführt. Seit Dezember letzten Jahres haben die aserbaidschanischen Behörden auch den Latschin-Übergang geschlossen, der Karabach mit der Republik Armenien und damit mit dem Rest der Welt verbindet. Ab Juni dieses Jahres erlaubten sie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz nicht einmal, Grundbedürfnisse wie Lebensmittel, Treibstoff, Medikamente und Hygieneartikel in die Region zu transportieren und Patienten mit schweren Erkrankungen wurden daran gehindert, Armenien zu erreichen. Außerdem wurde seit diesem September ein neuer Krieg gegen die Region begonnen und mehr als 60.000 Soldaten wurden in die Region geschickt.

 

Welche Rolle spielt hierbei die Türkei?

Die Rolle der Türkei in diesem Konflikt besteht seit Jahrzehnten. Sie leistet Aserbaidschan seit Anfang der 1990er Jahre wirtschaftliche, politische und militärische Unterstützung. In allen internationalen Foren hat Ankara Baku unterstützt, während es Eriwan weiterhin aufgrund des anhaltenden Konfliktes um Nagorno-Karabach angreift. Darüber hinaus war die Türkei stark in den anhaltenden Konflikt in der Region verwickelt, indem sie Aserbaidschan mit Söldnern unterstützte, die sie hauptsächlich aus Syrien mitbrachte, von denen einige aus Afrin im Norden Syriens und aus Aleppo stationiert wurden. Außerdem wurde Aserbaidschan auch militärische Ausrüstung, insbesondere Mittel zur Informationsbeschaffung und Satelliten, zur Verfügung gestellt. In der Tat ist es auch so, dass drei türkische Militärgeneräle die aserbaidschanische Armee seit Beginn des Krieges anführen.

Die türkischen Militärkommandanten wurden durch die Kommandeure der aserbaidschanischen Armee ersetzt und daher kann man sagen, dass die Türken direkt am Krieg teilgenommen haben und wir Verletzungen des Luftraums der Republik Armenien durch türkische F-15-Flugzeuge beobachtet haben. Letzten Monat wurde beispielsweise die Lage in der Region im UN-Sicherheitsrat erörtert und in der Sitzung wurde eine starke türkische Verteidigung Aserbaidschans festgestellt und die in Karabach begangenen militärischen Verstöße sowie die militärischen Angriffe auf das armenische Territorium gerechtfertigt; es wurden Anschuldigungen und Lügen gegen Eriwan erhoben. Wochen vor der jüngsten Aggression gegen Karabach fanden nahe der Grenze der Region gemeinsame Militärübungen türkischer und aserbaidschanischer Streitkräfte statt.

Sie haben über die Problematik gesprochen, dass Söldner in dieses Gebiet gebracht werden. Gibt es hierzu noch weitere Informationen?

So wie ich bereits erwähnt habe, hat die Türkei syrische Söldner stationiert, damit sie dort kämpfen und zwar gemeinsam mit den aserbaidschanischen Streitkräften. Diese Problematik wurde vermehrt in den syrischen und russischen Medien aufgegriffen. Zudem deuten die Informationen darauf hin, dass Ankara 2500 US-Dollar an einen Söldner innerhalb von 6 Monaten gezahlt hat. Einige seriöse russische Nachrichtenagenturen haben in einem am 26. September veröffentlichten Artikel erwähnt, dass die Türkei 1500 Söldner stationiert habe, die der sogenannten pro-türkischen Nationalen Armee angehören. Gemäß derselben Quelle koordiniert Ankara die Überstellung dieser Söldner über die informelle Sicherheitsorganisation „Sadat“, die für den türkischen Staat arbeitet. Berichten zufolge schickte die Türkei 3.000 Söldner der Levant-Legion, von Sultan Murad und der Hamza-Division sowie der Suleiman-Shah-Division, die allesamt als Terrororganisationen gelten. Am 2. Oktober letzten Jahres sagte der französische Präsident Emmanuel Macron während eines Gipfels in Brüssel, dass die Türkei die rote Linie überschritten und Dschihadisten in die Konfliktzone geschickt habe.

Warum verlassen die Menschen dann Nagorno-Karabach?

Der Abzug erfolgt als Folge der Aggressionen der aserbaidschanischen Armee im September, bei der die Aserbaidschaner mehr als 700 armenische Zivilisten und Soldaten töteten. Sie kündigten an, dass sie in Bergkarbach einmarschieren würden und zwangen so die Menschen, die Region zu verlassen, nicht weil sie es wollten, sondern weil sie sehen, dass ihr Leben in Gefahr ist und dass es sich bei dem, was gegen sie geschieht, um eine ethnische Säuberung handelt. Die Türkei hat dies in Zusammenarbeit mit Aserbaidschan geplant, wie sie es zuvor gegen die Armenier getan hat. Die Armenier sind gezwungen, Berg-Karabach zu verlassen, weil die Bedingungen für sie unklar sind und sie nicht über das Nötigste zum Leben verfügen.

Zu einer Zeit, als die aserbaidschanischen Behörden den ehemaligen und derzeitigen Premierminister der Region Berg-Karabach verhafteten, wären viele verhaftet worden, wenn sie in der Region geblieben wären, obwohl dies ihr historisches Land ist und sie das Recht haben, über ihr Schicksal zu entscheiden. Ich bestätige, dass Aserbaidschan seine aggressive Politik nicht einstellen wird, selbst wenn es die Kontrolle über die Region übernimmt und Angriffe auf Gebiete in der Republik Armenien starten wird, da es seit 1991 kontinuierlich mehr als eine Million Verstöße gegen die Souveränität Armeniens begangen hat. Seitdem sind die Armenier gezwungen, aus Aserbaidschan auszuwandern. Ich bin mir sicher, dass Baku seine blutigen Angriffe trotz der Kontrolle über Karabach nicht stoppen wird.

Warum hat Armenien dies akzeptiert sowie, dass die Armenier dieses Gebiet verlassen?

Armenien hat dies nicht akzeptiert; was passiert ist, ist, dass der armenische Ministerpräsident Nikol Pashinyan dies akzeptiert hat; jedoch fand seine Entscheidung keinerlei Unterstützung oder Legitimierung. Während seines Wahlkampfs konzentrierte er sich auf die Frage der Bekämpfung der aserbaidschanischen Invasion in der Region Berg-Karabach und es kam dazu, dass Baku die Kontrolle übernahm und ihre aggressiven Militäraktionen fortsetzte, die die Souveränität des armenischen Staates bedrohen. Zudem gibt es Märsche in der Hauptstadt Eriwan, die diesen Ansatz in der armenischen Außenpolitik kategorisch ablehnen.

Glauben Sie, dass das, was die Türkei in Karabach getan hat, dem ähnelt, was sie in Syrien, insbesondere im Norden Syriens, getan hat?

Es gibt einige Unterschiede: In Syrien setzte die Türkei Terroristen, Dschihadisten, ISIS und die sogenannte Syrische Nationalarmee ein, außerdem setzte sie ihre Bodentruppen ein, die bei Bedarf direkt in den Konflikt verwickelt waren und daher verfügt die Türkei über eine intensive Präsenz, eine ausgeprägte militärische Präsenz und Kräfte, um in Syrien einzugreifen und das ist tatsächlich geschehen. Was die Situation in Aserbaidschan betrifft, so stellte Ankara der aserbaidschanischen Armee in großem Umfang Waffen, Geheimdienstinformationen und Fachwissen zur Verfügung, entsandte jedoch keine türkischen Streitkräfte und verfügte nicht über die gleiche Präsenz wie in Syrien.

Was denken Sie über die Position der Türkei zu Minderheiten und ihre Interventionen in anderen Ländern?

Die Türkei hat eine negative Haltung gegenüber Minderheiten. Die Türkei hat das Verbrechen der ethnischen Säuberung an den Armeniern begangen und anderthalb Millionen Armenier getötet. Es gibt Millionen, die gezwungen wurden, ihr ursprüngliches Heimatland zu verlassen und jetzt gibt es eine begrenzte Minderheit von hauptsächlich Armeniern in Istanbul. Sie haben einen armenischen Hintergrund, aber die meisten von ihnen sprechen kein Armenisch und einige von ihnen sind konvertiert. Sie sind zum Islam konvertiert und wurden schlecht behandelt. Die türkischen Behörden haben systematisch und hart daran gearbeitet, ihre armenische Identität und Kultur zu zerstören.

 

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