Fragwürdiger hochrangiger US-Besuch in Nordwestsyrien
Es ist der erste hochrangige politische Besuch aus den USA seit über sechs Jahren in Syrien. Drei Mitglieder des US-Kongresses besuchten am Sonntag den unter türkischer Besatzung stehenden Nordwesten Syriens. French Hill, Ben Cline und Scott Fitzgerald, alle Republikaner, überquerten am Sonntagmorgen über die Türkei den Grenzübergang zu Bab al-Salameh. In Syrien trafen die US-Politiker laut der Associated Press (AP) Schüler, Oppositionspolitiker und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen.
Der Besuch kommt für viele überraschend. Zuletzt besuchte US-Senator John McCain 2017 in Syrien stationierte US-Soldaten. Seitdem gab es keinen nennenswerten politischen Besuch mehr von US-Vertretern. Noch kürzlich sanktionierte das US-Finanzministerium drei Anführer von drei verschiedenen bewaffneten Oppositionsparteien, die unter türkischer Führung in der “Syrischen Nationalarmee” (SNA) zusammengeführt wurden. Die SNA verwaltet unter türkischer Herrschaft die besetzten Gebiete in Nordsyrien. Die Türkei besetzte infolge von drei Invasionen in den Jahren 2016, 2018, 2019 große Teile Syriens entlang der Grenze.
Den Gruppen, die sich in der SNA zusammengeschlossen haben, werden diverse Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Auch die drei sanktionierten Anführer wurden wegen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen sanktioniert. Konkret ging es um die Vertreibung und Enteignung der einheimischen kurdischen Bevölkerung von Afrin.
Dieselben Akteure sind auch in dem Gebiet aktiv, wo nun die US-Politiker einen Besuch abstatteten. Außerdem werden in diesen Gebieten von der Türkei, mit katarischer Finanzhilfe, Siedlungen für eine Rückführung von syrischen Flüchtlingen gebaut, während die einheimische Bevölkerung dieser Gebiete zum Großteil vertrieben wurde. Der Besuch der US-Politiker wirft insofern viele Fragen auf. Für die syrische Interimsverwaltung unter türkischer Herrschaft dürfte der Besuch ein Grund zur politischen Legitimation sein. Währenddessen scheuen sich die hochrangigen Vertreter aus Washington immer noch vor einem Besuch der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (kurz: AANES), in der mehr als 900 US-amerikanische Soldaten stationiert sind und gemeinsam mit den Demokratischen Kräften Syriens (SDF), den Streitkräften der AANES, die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bekämpfen.
Laut diversen Berichten sollen beim Besuch humanitäre Aspekte eine zentrale Rolle gespielt haben, wohingegen der Nordosten Syriens genauso unter einer humanitären Katastrophe leidet. Die Türkei hat das Wasser für die Region, die sie militärisch bekämpft, abgestellt und die Wassermengen des Euphrats in syrische Richtung reguliert. In diversen Regionen der AANES wurde deswegen der Notstand ausgerufen. Es ist ein fatales Zeichen, dass die US-Politiker trotz dieser Situation das türkisch besetzte Nordsyrien besuchen, während sie kein Wort über die Verbrechen in diesen Gebieten verlieren.