Die russisch-türkische Vereinbarung in Idlib steht auf der Kippe

Am Samstag wurde nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) mit Sitz in London ein Militärposten des syrischen Regimes im Süden Idlibs gesprengt.
Bei den Angreifern soll es sich um die dschihadistische Organisation ‘Ansar al-Tawhid’ handeln. Andere syrische Quellen nannten die ‘Hay’at Tahrir ash-Sham’ (HTS) als Angreifer. Beide Organisationen gingen aus dem Ableger der syrischen al-Qaida, der al-Nusra-Front hervor und sind in Idlib aktiv.
Die Angreifer sprengten zuerst einen Tunnel unter dem Militärposten und attackierten anschließend die Stellung des syrischen Militärs mit Raketen- und Artilleriefeuer. Das syrische Militär musste nach heftigen Kämpfen den Posten räumen und sich zurückziehen. Nach unbestätigten Berichten starben 11 Soldaten und mehr als 20 wurden verletzt.
Die Angreifer übernahmen die Kontrolle über das Dorf al-Malajah und rückten bis auf Kafr Nebl vor, wo die Kämpfe immer noch andauern. Inzwischen soll das syrische Militär die Gegend auch aus der Luft bombardieren. Dennoch gelang es dem syrischen Militär nicht, die verlorenen Gebiete zurückzuerobern.
Andererseits starteten auch Gruppierungen des militärischen Zusammenschlusses der sogenannten ‘al-Fath al-Mubin’ Angriffe auf Stellungen und Kräfte des syrischen Regimes. An der Frontlinie bei Latakia wurde ein hochrangiger syrischer Soldat nach Bombardierungen der ‘al-Fath al-Mubin’ getötet. Im Süden Idlibs griff der militärische Zusammenschluss von islamistischen Gruppierungen einen militärischen Nachschub der syrischen Armee an und beschädigte diese dabei.
In den letzten Wochen häuften sich die gegenseitigen Angriffe in Idlib, die als letzte große “Rebellenhochburg” gilt. Selbst Russland, das auf der Seite des Assad-Regimes im syrischen Bürgerkrieg kämpft, bombardierte zuletzt öfters mutmaßliche Stellungen der HTS in Idlib, wobei auch viele Zivilisten getötet wurden. Zuletzt startete Russland am Dienstag eine Reihe von Luftangriffen, wobei laut eigenen Angaben 17 Mitglieder der HTS getötet worden waren. Seit einigen Tagen bombardieren zudem das syrische Militär und die HTS gegenseitig Stellungen entlang der sogenannten “Deeskalationszone”. Am Samstag starben in der Stadt Kansafra zwei Kinder bei Bombardierungen des syrischen Militärs .
Inmitten der angespannten Lage schickte die Türkei Verstärkung für ihre Militärposten in Idlib. Ein Konvoi mit 50 LKWs lieferte den türkischen Posten in Idlib schwere Waffen und logistische Unterstützung. Die Türkei war nach einer Vereinbarung mit Russland in Idlib eingerückt, wo 2020 eine Deeskalationszone geschaffen wurde. Die Türkei sollte gemäß der Vereinbarung die HTS, die die dominierende Gruppe in Idlib darstellt, vertreiben. Stattdessen wurde die türkische Armee bei ihrer Ankunft in Idlib von der HTS eskortiert. Seitdem gab es keine nennenswerten Auseinandersetzungen zwischen der Türkei und der HTS.
Nun scheint sich diese Vereinbarung aufzulösen. Der angeschlagenen Region drohen erneut heftige Kämpfe. In Idlib leben Millionen Menschen und Binnenvertriebene, die erneut vor einer Fluchtwelle stehen könnten.

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