Die Türkei setzt ihre militärischen Angriffe auf Nord- und Ostsyrien fort, aber setzt dabei auch weiterhin auf eine unkonventionelle Kriegsführung, die die ganze Region in eine humanitäre Katastrophe treibt.
Seit einigen Jahren unterbricht die Türkei gezielt die Wasserversorgung der Region oder verringert die in Richtung Syrien fließenden Wassermengen, an deren Folgen täglich Hunderte Menschen erkranken. Zur türkischen Kriegsführung in Nordostsyrien gehört auch die gezielte Zerstörung oder Beschädigung von ziviler Infrastruktur, um die dortige Bevölkerung zu vertreiben und weniger Widerstand bei einem erneuten Einmarsch zu haben.
Kürzlich bombardierte die türkische Armee erneut ein Wasserversorgungsnetz im Nordosten Syriens. Lokalen Berichten zufolge griffen türkische Streitkräfte letzte Woche das Dorf Merzi in der Stadt Zirgan im Kanton Hesekê (arab. al-Hassaka) an. Die türkischen Bomben trafen dabei das Wasserversorgungsnetz des Dorfes und verursachten enorme Schäden.
Katastrophengebiet
Am 3. Juli erklärte die für die Wasserversorgung zuständige Behörde in Hesekê den gesamten Kanton zum Katastrophengebiet. Aufgrund der anhaltenden Wasserknappheit sind aktuell alle Städte, Dörfer und Ortschaften in der Region vom Mangel betroffen. Die Behörde wies darauf hin, dass die Fortsetzung der Katastrophe das Ergebnis der Vereinbarung zwischen Russland, der Türkei und dem syrischen Regime sei, die Menschen im Nordosten Syriens zu ersticken und ihre demokratischen Errungenschaften auszulöschen.
Bereits im November 2022 hatte Human Rights Watch (HRW) einen dringenden Appell an die internationale Gemeinschaft gerichtet, die Wasserkrise in der Region zu beenden. HRW erklärte, dass die türkischen Behörden die akute Wasserkrise verschärfen, die vermutlich erst zu dem tödlichen Cholera-Ausbruch geführt habe, der sich über Syrien und die Nachbarländer ausbreiten würde. Die NGO forderte alle Konfliktparteien auf, das Recht auf sauberes Wasser und Gesundheit für alle in Syrien sicherzustellen.
Wasser als Waffe
Vor einer Woche gaben Mitglieder der Wasserbehörde und der Demokratischen Zivilverwaltung in Tabqa, wo sich der wichtigste Staudamm der ganzen Region befindet, eine Pressemitteilung zur Wasserknappheit in der Region ab. Hemud Şêx, Ko-Vorsitzender der Wasserabteilung von Tabqa, betonte, dass der türkische Staat weiterhin die Ressource Wasser als Waffe nutzt und gleichzeitig alle unmenschlichen Maßnahmen gegen Nordostsyrien anwendet. Şêx wies darauf hin, dass der türkische Staat weiterhin gegen Vereinbarungen bezüglich der Wassermengen des Flusses Euphrat verstößt. Durch die kontinuierliche Verringerung der vertraglich festgelegten Wassermengen vom Euphrat nehmen die Pegel der Dämme und Seen ab, einschließlich des Tabqa-Staudamms, der durch diese Praktiken des türkischen Staates 4 Milliarden Kubikmeter Wasser verloren hat.
Gegenwärtig müssen die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) und ihre Teilkräfte der Volksverteidigungseinheiten (YPG und YPJ), Maßnahmen ergreifen, um die Ausmaße der Wasserkrise verringern zu können. Die SDF verteilt täglich tonnenweise Wasser in der nordsyrischen Stadt Heseke und den umliegenden Dörfern.
Vergiftungen und Krankheiten
Seit der Besetzung der Stadt Serêkaniyê (arab. Ras-al-Ain) an der Grenze zur Türkei im Jahr 2019 nutzt der türkische Staat seine Kontrolle über die Wasserwerke der Stadt als Waffe gegen die Bevölkerung der Selbstverwaltung im Norden und Osten Syriens. Die für 1,5 Millionen Menschen lebenswichtige Wasserstation Alouk bei Serêkaniyê wurde seit der Besetzung Dutzende Male stillgelegt. Seit mehreren Wochen fließt aus der Wasserstation nichts mehr ab, obwohl wie mit der UNICEF vereinbart wurde, die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien die benötigte Elektrizität für das Wasserwerk lieferte. Nun droht der Region Hesekê inmitten der anhaltenden Hitze die humanitäre Vollkatastrophe.
Ende Juli 2023 sagte Ehmed Ferhan, Leiter des Rettungsdienstes im Heseke People’s Hospital, gegenüber der Nachrichtenagentur ANHA: „Täglich kommen Dutzende Menschen mit Vergiftungen und Hautkrankheiten wegen der Wasserverschmutzung ins Krankenhaus.“
Eine junge Frau starb an den Folgen extremer Hitze
Die extreme Hitze, die auch Nord- und Ostsyrien erfasst, hat zum Tod einer jungen Frau geführt. Khadija Mohammad Konehir (kurd. Xedîce Mihemed Kinêhir) aus dem Kanton Hesekê starb an den Folgen der extremen Hitze. Ärzte warnen die Menschen, in der prallen Sonne nicht nach draußen zu gehen und Kinder, Kranke und ältere Menschen zu schützen. Obwohl dies das Ausmaß der extremen Hitze sowie die Bedrohung für Menschenleben verdeutlicht, fehlt genau zu diesem Zeitpunkt das dringend notwendige und lebenswichtige Wasser.
Verantwortliche der Selbstverwaltung und der Wasserbehörden forderte die Vereinten Nationen auf, eine wirksame Rolle dabei zu spielen, den türkischen Staat daran zu hindern, Kriegsverbrechen gegen die Bevölkerung der Region fortzusetzen.