In der Türkei nimmt die Wut und der Protest gegen die Streamingplattform „Disney+“ nicht ab. Am vorletzten Mittwoch verkündete Disney Türkei die Kurzserie über den türkischen Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk nicht mehr auf Disney+ anzubieten, sondern nur auf dem Sender ‘Fox’ sowie in türkischen Kinos auszustrahlen. Die Entscheidung sorgte in der Türkei für Furore, die sogar die oberste politische Etage erreichte.
Der Vorsitzende des Obersten Rundfunk- und Fernsehrats (RTÜK), Ebubekir Sahin, schrieb über seine Accounts in den sozialen Medien, dass man beschlossen habe, eine Untersuchung gegen Disney+ einzuleiten. “Der Gründer unserer türkischen Republik Mustafa Kemal Atatürk ist der wichtigste gesellschaftliche Wert”, schrieb Sahin. Er fügte hinzu, dass man genau untersuchen werde, ob die Entscheidung wirklich, wie in den Medien dargestellt, durch den Druck der armenischen gefallen sei.
Tatsächlich machten armenische Lobbyverbände in den USA Druck, die Serie über “den genozidalen Verbrecher” abzusetzen, was unter anderem auf sozialen Netzwerken zu verfolgen war. Der Unmut erreichte schließlich auch die oberste politische Etage. Regierungssprecher Ömer Celik schrieb über X, ehemals Twitter: “Es ist eine Schande, dass eine amerikanische Serien/Filmplattform sich dem Druck der armenischen Lobby gebeugt hat und die Serie “Atatürk” ohne es auszustrahlen abgesetzt hat. Diese Haltung dieser Plattform ist eine Respektlosigkeit gegenüber den Werten der türkischen Republik und unserer Nation.”
Dabei ist es bis heute völlig unklar, ob die Entscheidung aus diesen Gründen gefällt wurde, auch wenn der armenische Lobbyverband ANCA sich für die erfolgreiche Kampagne gegen die Serie öffentlich bedankte.
Atatürks persönliche Rolle beim Völkermord an den Armeniern 1915/1916 ist höchst umstritten. Unter den sogenannten ‘Jungtürken’, die von Atatürk angeführt wurden, entstand die türkische Republik und diese Gruppierung wird für den Völkermord an den Armeniern verantwortlich gemacht, wobei Atatürk selbst zu der Zeit an der Westfront kämpfte. Armenische Interessengruppen stellten sich daher gegen die Glorifizierung von Atatürk über die Streamingplattform. In der Türkei ist Atatürk allgegenwärtig und um ihn herum herrscht ein reger Personenkult. Kritik an Atatürk kann in der Türkei per Gesetz bestraft werden.
Mehr als dreißig Länder erkannten den Völkermord an den Armeniern mittlerweile an, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland 2016. Die Türkei bestreitet jedoch bis heute einen Genozid und spricht von Massakern auf beiden Seiten. Die AKP-Regierung räumte jedoch ein, dass eine hohe Zahl von Armeniern infolge von Kämpfen und den Umständen des Krieges gestorben sei.
Unterdessen veröffentlichten 218 Ex-Diplomaten der türkischen Republik ein gemeinsames Schreiben, indem sie Disney+ aufforderten, die Serie weltweit auszustrahlen. Wie Disney auf dieses Politikum reagieren wird, ist unklar. Laut türkischen Medien verlor Disney+ in den letzten drei Monaten 11,5 Millionen Abonnenten, wobei sie für einen Großteil die Anti-Disney-Kampagne in der Türkei verantwortlich machten.