Ahmad Qatma
Aktivisten in der Region von Afrin in Nordwestsyrien, das seit März 2018 von der Türkei besetzt ist, veröffentlichen ununterbrochen Informationen über die weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen, die von den Milizen der „Syrischen Nationalen Armee“ (SNA) mit türkischer Planung und Befürwortung begangen werden.
In diesem Kontext haben die Aktivisten ebenfalls am 20. Juni diesen Jahres die Verhaftung einer kurdischen Familie durch eine Miliz der „Militärpolizei“ bestätigt. Diese fand statt, nachdem die Familie Drohungen und Angriffen durch bewaffnete Männer des Akidat-Stammes ausgesetzt war.
Weiterhin erklärten die Aktivisten Mitte April, dass zwei Siedler ebenfalls einen jungen Mann namens „Abdo Mustafa“ brutal angriffen. Er stammt ursprünglich aus dem Dorf „Shitana“, welches zu „Mubata/Ma’batli“ gehört. Der Vorfall ereignete sich im Viertel „Al-Ashrafiyya“ in der Stadt Afrin. Das Opfer war gerade einmal 17 Jahre alt und ist Vollwaise; am Ende wurde er zudem dazu gezwungen, die Anzeige gegen die beiden Täter fallen zu lassen.
Menschenrechtsverletzungen gegen ältere Menschen
Jedoch begrenzen sich die Verbrechen und das begangene Unrecht, welche von den türkisch unterstützten Milizen in Afrin sowie unterstützenden Siedlern praktiziert werden nicht nur auf junge Leute und Teenager, sondern richten sich auch gegen ältere Menschen. In diesem Kontext erwähnten die Aktivisten, dass zwei ältere Kurden, nämlich „Ma’mo Ma’mo“ und „Yahya Shukri Hammo“ beide aufgrund der erlittenen Qual und Grausamkeit, der sie ausgesetzt waren, starben, nachdem sie mehrere Angriffe erdulden mussten.
„Yahya Shukri Hammo/Abu Shukri“ (64) verstarb zwanzig Tage nachdem er geschlagen und gefoltert wurde vor dem Hintergrund, dass er zuvor 300 Dollar von seinem im Libanon lebenden Sohn erhalten hatte. In Bezug auf die Details des Vorfalls, der sich am 27. März diesen Jahres ereignete, war der ältere Mann „Hammo“ gerade nach Hause zurückgekehrt als er von der Präsenz bewaffneter Männer überrascht wurde, die gerade sein Haus durchsuchten. Sie attackierten ihn daraufhin direkt durch Schläge und griffen auch seine Frau Sultana an, als Diese versuchte sich den Angreifern entgegenzustellen. Infolgedessen wurde ihre Hand gebrochen. Als die bewaffneten Männer daraufhin versuchten sie mit einer Decke zu erwürgen, griffen die Nachbarn ein, nachdem sie die Schreie von Sultana hörten. Das ältere Ehepaar konnte daraufhin fliehen und sich in Sicherheit bringen, jedoch wurde das transferierte Geld von den Angreifern gestohlen. Dieser brutale Vorfall führte dazu, dass „Hammo“ bettlägerig wurde und anschließend verstarb.
Zeitgleich verstarb auch „Ma’mo Ma’mo“ (Ma’mi Balki) am 17. April, der zu diesem Zeitpunkt 87 Jahre alt war und aus dem Dorf Jubana im Distrikt Rajoo stammt. Er wurde bereits im Juli 2018 schon das Opfer eines ähnlichen Angriffs durch Mitglieder der Miliz „Faylaq Ash-Sham“ . Die Angreifer hatten zudem auch seiner Tochter die Hände verbunden und beide erbarmungslos geschlagen, nachdem sie 600 Tausend syrische Lira aus ihrem Haus stahlen.
Schikanen und Belästigungen mit Waffen
Gemäß den Bestätigungen der Aktivisten aus Afrin sind kurdische Zivilisten und Zivilistinnen regelmäßig Schikanen von bewaffneten Männern und Siedlern ausgesetzt, die allesamt Waffen besitzen. Dies geschieht in einem Klima von abwesenden Gesetzen und moralischen Werten, die dazu führen, dass kurdische Zivilisten immer schuldig sind, selbst wenn sie und ihr Hab und Gut angegriffen werden. Zudem drohen ihnen immer wieder Racheakte und Bestrafungen durch die Milizen, wenn sie es auch nur wagen sollten, gerichtlich gegen ihre Angreifer vorzugehen.
All dies geschieht inmitten einer vereinfachten Weitergabe von Waffen sowie einer einfachen Erlangung von Waffen durch Siedler und Zivilisten, die den syrischen Milizen angehören, welche von der Türkei unterstützt und finanziert werden. Zudem gibt es auch zahlreiche Geschäfte, die Waffen verkaufen, insbesondere in Afrin. So ist der Verkauf von einfachen und mittleren Waffen sowie Jagdwaffen und Munition sehr weit verbreitet; diese wurden insbesondere von Siedlern und Milizen vorangetrieben mit der Absicht untereinander Waffen zu tauschen und den Verkauf aufrechtzuerhalten, zusätzlich zu der Existenz spezieller Räume für Social Networking Websites und spezialisierter Chatrooms.
Unter Berücksichtigung aller oben genannten Informationen führte die „Target-Plattform“ ein exklusives Gespräch mit dem kurdischen Menschenrechtsaktivisten und Politiker Rashid Shaaban, der aus Afrin stammt und Mitglied des politischen Komitees der „Kurdischen Demokratischen Einheitspartei in Syrien“, der „Yekiti“ ist.
Der kurdische Politiker bestätigte, dass „diese Angriffe durch die arabisch-chauvinistische rassistische Mentalität verursacht werden, mit der Billigung der sie unterstützenden türkischen Streitkräfte angesichts des Chaos und der mangelnden Sicherheit in der türkisch besetzten Region Afrin sowie des Fehlens jeglicher Sicherheit oder einer Justizinstitution“. Er fügte hinzu: „Wenn diese Institutionen existieren, die sogenannte Zivilpolizei und die Justiz, die alle formal vorhanden sind, dann gibt es keinen Fortschritt oder Verzögerung, und sie haben keinen Anspruch auf das Recht, da sie weder fair noch irgendwas sonst sind“.
Siedler: Kurdisches Eigentum ist unsere Beute
Was die Übergriffe durch die „Rekrutierer/Siedler“ in Afrin anbelangt, so werden die betroffenen Kurden dazu gezwungen, die Anzeigen gegen die Täter fallen zu lassen. Dazu kommt die Tatsache, dass Afrin eine einheimische kurdische Bevölkerung hat, die ebenfalls ignoriert wird. Darüber hinaus sollten nationale Beziehungen zu den Kurden aufgebaut werden, anstatt sie der Misshandlung auszusetzen. Der kurdische Jurist wies weiter darauf hin: „Die Siedler betrachten das Eigentum der Kurden als ihre Beute im Rahmen des ungerechten Krieges gegen Afrin, und die Kurden haben kein Recht mehr an diesem Eigentum, sondern die bloße Einreichung einer Beschwerde durch einen kurdischen Bürger ist bereits ein Verbrechen.
Anschließend erläuterte er die Fälle von Angriffen auf kurdische Bürger, die sich über Militante oder Siedler beschweren, mit den Worten: „Dies geschieht alles in dem Maße, dass das Einreichen einer Beschwerde nicht zu einer Gelegenheit für kurdische Bürger wird, ihre Rechte zu Schütze. Auch wenn es sich dabei um eine Formalität handelt. Sie üben Druck auf sie und die türkische Besatzungsregierung aus.”
Zu den Nachrichten über den Tod älterer Kurden in Afrin, die erpresst wurden oder tätlichen Angriffen ausgesetzt waren, erklärte Shaaban, dass die Menschen im besetzten Afrin im Allgemeinen verschiedenen Formen von Ungerechtigkeit und Unterdrückung ausgesetzt seien, darunter alle Altersgruppen , ohne Unterschied zwischen Jung und Alt, Männern und Frauen. Dabei handele es sich um eine systematische Politik der Verfolgung, um in allen Formen Druck auf sie auszuüben. Der Tod insbesondere der älteren Menschen ist jedoch auf die große Belastung zurückzuführen, die Siedler und bewaffnete Gruppen unter der Aufsicht der türkischen Armee auf sie ausüben, um sie zu zwingen, ihre Häuser und ihr Eigentum zu verlassen.
Er begründete den doppelten Druck auf die älteren Kurden in Afrin mit den Worten: „Die älteren Menschen klammern sich an ihr Land und ihre Häuser, und sie betrachten es als die Frucht ihrer Arbeit während ihres Lebens und der Arbeit ihrer Vorfahren; also erachten sie dieses Eigentum als ihre Würde und nur bloßer Druck auf sie oder der Diebstahl ihres Eigentums führen zu gesundheitlichen Problemen, während Siedler und bewaffnete Männer davon ausgehen, dass ihr eigenes Eigentum nach dem Tod älterer Menschen zur Beute für sie wird. Deshalb üben sie Druck auf die älteren Menschen aus, um sie loszuwerden.“
Schikanen als Resultat der Kultur der Ba’thisten
Im Zusammenhang mit der ständigen Belästigung kurdischer Bürger durch Militante und Siedler wies ein Mitglied des Politischen Komitees der Einheitspartei darauf hin, dass „die Kultur der Schikanen und der Aggression ein Ergebnis der Kultur des Baathismus ist sowie die abergläubische Kultur, die seit mehr als einem halben Jahrhundert gegen kurdische Bürger praktiziert wird, indem man sie als Bürger zweite Klasse betrachtet, was ein Ergebnis einer sektiererischen Kultur ist, insbesondere der Sunniten, die die panarabische und sektiererische öffentliche Meinung aufstacheln mit Unterstützung der türkischen Regierung gegen kurdische Bürger.
„Vor und nach der Besetzung Afrins und durch die Verfolgung der Politik der verbrannten Erde während der von ihren Söldnern unterstützten türkischen Aggression entwickelte sich Afrin zur Beute dieses Krieges, entweiht mit all seinen Menschen, Bäumen und Steinen und ohne Rücksicht auf menschliche Werte oder jegliche rechtliche Abschreckung“, sagt der kurdische Politiker und fährt fort: „Das macht jeden kurdischen Bürger, der eine Beschwerde gegen einen Siedler oder Militanten einreicht direkt zum Verbrecher; dann wird er vom Kläger zum Angeklagten und es gibt viele Verbrechen gegen Menschen, darunter Mord, Verschwindenlassen, Entführung, Baumfällung, Waldbrand und Diebstahl von Antiquitäten, die alle unter türkischer Aufsicht stattfanden.“ Anschließend kommt er zu dem Schluss: „Deshalb darf der kurdische Staatsbürger keine Beschwerde einreichen.“
Waffen sind auf Militante und Siedler beschränkt
Im Hinblick auf das Phänomen der Verbreitung von Waffen und der Freiheit, Waffen zu besitzen, unter Siedlern und Zivilisten, die mit den von der Türkei unterstützten Oppositionsmilizen in Syrien verbunden sind, erklärte der kurdische Politiker, dass „das Phänomen des Waffentragens zwischen Siedlern und Militanten sehr präsent ist, ohne irgendeine Abschreckung, weder legal noch moralisch“.
Er fügte hinzu: „Es gibt viele Geschäfte, die alle Arten von individuellen Waffen verkaufen, die nur Militanten und Siedlern vorbehalten sind, während es den Kurden verboten ist, Waffen zu kaufen oder zu tragen, in irgendeiner Weise, so dass sie sich selbst oder ihr Eigentum nicht verteidigen können.“
Er kam zu dem Schluss: „Es gibt Beweise dafür, dass seit der Besetzung Afrins täglich Verbrechen begangen wurden, wo Hunderte von Mord-, Entführungs- und Diebstahlsdelikten offen ausgeführt wurden, zusätzlich zum Fällen von Bäumen und zum Diebstahl von Antiquitäten, und das alles wegen der Schikanen der militanten Fraktionen und Siedler mit Waffen, die unter der Aufsicht der Türkei alle Arten von Ungerechtigkeit und Unterdrückung gegen die Menschen in Afrin praktizieren.“
Um mit Afrin zusammenzuarbeiten, einem Opfer des doppelten Chauvinismus mit ethnischer und konfessioneller Basis, und obwohl die Kurden theoretisch den gleichen Glauben mit der „sunnitischen“ konfessionellen Mehrheit in Syrien teilen, hat letztere es eindeutig vorgezogen, die kurdische Komponente davon fernzuhalten. Dies erfolgt insbesondere als Gegenleistung für die Unterstützung und Finanzierung der Türkei, was eine bedauerliche Konsequenz ist. Tatsächlich birgt die Zukunft Syriens viele Gefahren, die seine geografische und demografische Einheit bedrohen, so dass die Wiederherstellung der Harmonie im syrischen Gefüge zunächst davon abhängt, diese sektiererische Mehrheit aus ihrer Abhängigkeit von der Türkei zu befreien.