IS-Mitglieder aus Europa kommen in Nord- und Ostsyrien vors Gericht

Die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) kündigte am Samstag an, nach jahrelangen Bemühungen um internationale Resonanz, selbst über die Tausenden Inhaftierten des Islamischen Staates (IS) zu richten.

In Nord- und Ostsyrien leben knapp 60.000 Mitglieder und Anhänger des IS, verteilt in mehreren Camps und Gefängnissen. Darunter sind auch ca. 2000 europäische Kämpfer des IS, die sich vermutlich an verschiedenen Verbrechen beteiligt haben. All diese Kämpfer wurden bislang noch nicht juristisch anbelangt.

Target sprach mit Bedran Ciya Kurd, Ko-Vorsitzender des Büros für Außenbeziehungen der AANES, über die Ankündigung der AANES und die bevorstehenden Prozesse gegen den Islamischen Staat.

“Wir sind bereit für die Gerichtsverfahren”

Bedran Ciya Kurd sprach über die Hintergründe der Entscheidung des AANES diesen Schritt zu gehen und sagte: “Die Selbstverwaltung ist entschlossen, Terroristen strafrechtlich zu verfolgen und für Gerechtigkeit zu sorgen, und betont, dass sie die internationale Gemeinschaft erneut auffordert, sich wirksam an diesen Gerichtsverfahren zu beteiligen und sie zu unterstützen.”

Tatsächlich ruft die AANES seit einigen Jahren schon dazu auf, ein internationales Tribunal zu errichten, um die Terroristen des IS juristisch wegen ihren Verbrechen zur Rechenschaft ziehen zu können. In den Camps und Haftanstalten der AANES befinden sich weiterhin tausende Mitglieder und Angehörige des Islamischen Staates, die ohne Gerichtsverfahren dort festsitzen. Unter ihnen sind auch tausende Ausländer. Nach jahrelangen Bemühungen haben zwar viele Staaten damit angefangen ihre Staatsbürger, die sich dem IS angeschlossen hatten, zurückzuführen und teilweise sogar vor eigene Gerichte gestellt, jedoch ist die Zahl der weiterhin inhaftierten Mitglieder nach wie vor zu hoch. Es werden hauptsächlich Familienangehörige von IS-Kämpfern zurückgeholt, während die aktiven Kämpfer, die die Hauptlast der Verbrechen begangen haben, weiterhin in den Gefängnissen verweilen.

Bedran Ciya Kurd fügte trotz der Verbrechen des IS ausdrücklich hinzu, dass die AANES auf der Grundlage ihres Gesellschaftsvertrags kein Gesetz habe, das die Todesstrafe erlaube und betonte, dass sie sich an alle internationalen Resolutionen und Vereinbarungen im Zusammenhang mit Menschenrechten halte.

Er sprach weiter über die Beweggründe eigene Gerichtsverfahren gegen ausländische Terroristen des IS zu starten. Der Hauptgrund für die Einrichtung dieser Gerichte, die ausländische Terroristen strafrechtlich verfolgen sollen, bestehe darin, dass sie seit Jahren ohne Gerichtsverfahren in der AANES inhaftiert seien. Bedran Ciya Kurd wies darauf hin, dass die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) und die Internationale Anti-IS-Koalition seit einiger Zeit den Terrorismus bekämpfen würden und forderte daher, dass bei der Erprobung dieser Prozesse mit der Internationalen Koalition zusammengearbeitet werden soll, sofern diese sich dazu bereit erklären. “Die Vorbereitungen für die Verfahren gegen ausländische IS-Mitglieder sind größtenteils abgeschlossen”, sagte Bedran Ciya Kurd.

“Wir müssen diesen Schritt gehen, weil es immer noch keine juristischen Verfahren gab”

“Die Gefahr des IS in der Region nimmt von Tag zu Tag zu, insbesondere durch die Anwesenheit Tausender Terroristen in Haftanstalten”, führte Kurd weiter aus und implementierte dabei die Wiederbelebungsversuche der Terrororganisation. In der Region ist trotz der intensiven Operationen gegen den IS eine wachsende Gefahr zu verspüren. Der IS steigerte zuletzt seine Angriffe auf Sicherheitskräfte und Zivilisten in der Region. Dabei kommt es auch zu Ausbruchs- und Befreiungsversuchen von IS-Kämpfern. Bei dem größten Versuch Anfang 2022 östlich von al-Hassaka stürmten IS-Terroristen das Gefängnis al-Sinaa, wo 3500 IS-Mitglieder inhaftiert sind. Bei den einwöchigen Gefechten starben bis zu 300 Menschen.

Zwar werden die Regionalkräfte SDF bei der Bekämpfung der Terrororganisation, hauptsächlich von den USA, unterstützt, jedoch erfährt die Region kaum Hilfe beim Beherbergen oder der juristischen Verfolgung der Tausenden IS-Mitglieder, die immer mehr zu einer sicherheitspolitischen als auch ökonomischen Last für die Region werden. Bedran Ciya Kurd führte aus, dass man den Schritt der juristischen Verfolgung nun selbst begehen müsse und sagte dazu: “Wir haben von keinem Land Unterstützung bei der Verfolgung ausländischer Terroristen erhalten, und daher wird die Selbstverwaltung diese Aufgabe trotz der Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen werden, allein durchführen.“

Die AANES kritisierte in ihrer Ankündigung die unbeantworteten Appelle bezüglich einer internationalen Gerichtsbarkeit der IS-Terroristen und erneuerte ihren Wunsch nach einem gemeinsamen juristischen Angehen der Problematik. Sie lud die internationalen Akteure, allen voran die Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen ein, an diesen Prozessen teilzunehmen und zu beobachten. Kurd versprach darüber hinaus für gerechte Verfahren zu sorgen:

“Die Gerichte werden für alle transparent sein, und wir werden jeden Prozess, den wir durchführen werden, im Voraus bekannt geben. Selbstverständlich haben die terroristischen Elemente das Recht, ihre Anwälte selbst zu ernennen.”

Zum Schluss verriet Bedran Ciya Kurd noch, dass das Gericht in der Stadt Kobanê sein werde und das erste Verfahren bereits demnächst stattfinden werde. Kobanê ist für die AANES und die Bekämpfung der Terrororganisation IS eine symbolträchtige Stadt. Im Höhepunkt ihrer Macht belagerte der IS für Monate die Stadt an der türkischen Grenze und wurde am Ende letztendlich besiegt und vertrieben, wodurch der Anfang vom Ende der Terrororganisation eingeläutet wurde. Nun soll in dieser Stadt die Gerechtigkeit seinen Platz finden.

 

 

 

 

 

 

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