Kairo – Mohammed Amer
Die Ergebnisse der türkischen Präsidentschaftswahlen erregten große Aufmerksamkeit bei vielen Beobachtern und internationalen Medien, die diese Ergebnisse als gleichbedeutend mit mehr Autoritarismus in den kommenden Jahren betrachten, während sie angesichts der von Recep Tayyip Erdogan verfolgten Politik voraussichtlich auch katastrophale Auswirkungen auf den Nahen Osten haben könnten, insbesondere bezüglich neuer Interventionen des Regimes in Syrien und Libyen.
Tatsächlich gelang es Erdogan, die Stichwahl für die türkischen Präsidentschaftswahlen zu gewinnen, indem er 52 % der Stimmen erhielt, während sein politisches Gegenüber Kemal Kilicdaroglu, der wichtigste Oppositionskandidat, 48 % der Stimmen erreichte, in einer Wahl, die von der Haltung der kurdischen Bevölkerung dominiert wurde sowie der Art des Umgangs mit der Flüchtlings- und Migrationspolitik.
Angst vor katastrophalen Folgen für den Nahen Osten
In diesem Zusammenhang erwähnte Salih Muslim, Co-Vorsitzender der Partei der Demokratischen Union, die unter ihrer Abkürzung PYD bekannt ist, in seinen Erklärungen gegenüber der Target Media Platform, dass diese Wahlen nicht fair gewesen seien, indem er seine Hoffnung zum Ausdruck brachte, dass die Ergebnisse der Wahlen für den Nahen Osten nicht katastrophal sein werden. Muslim erklärte weiter, dass diese Wahlen Erdogan zum „Hitler des Nahen Ostens“ machen werden, was bedeutet, dass er seine Politik fortsetzen wird, die er auch zuvor verfolgt hat, jedoch auf eine härtere Art und Weise als zuvor erwartet, sei es im Inland oder im Ausland.
Der prominente kurdisch-syrische Politiker wies außerdem darauf hin, dass Erdogan sich bei diesen Wahlen mit Mitgliedern der Hüda-Par-Partei verbündet habe, auch bekannt als die „Türkische Hisbollah“, deren Mitglieder in den neunziger Jahren an der Ermordung zahlreicher Menschen beteiligt gewesen seien. Tatsächlich seien sie diejenigen, die der Terrororganisation IS das Abschlachten beigebracht haben, welche sich in ihrer Brutalität und Grausamkeit von ihnen inspirieren ließ. Muslim fügte am Ende seiner Stellungnahme gegenüber der Target Media Platform weiter hinzu: „Deshalb hege ich, wie ich bereits zuvor betont habe, die Hoffnung, dass die Ergebnisse dieser Wahlen für den Nahen Osten nicht katastrophal sein werden.“
Die Fortsetzung der Tyrannei Erdogans
Das amerikanische Time-Magazin erstellte unmittelbar nach Erdogans Sieg einen Bericht, in dem es hieß, dass die Ära Erdogans noch immer weitergehe. Der Bericht zitierte außerdem Ghalib Dalai, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Chatham House Research Center in London, der erklärte, dass unter der Herrschaft von Erdogan, der 2003 erstmals die Macht als Premierminister der Türkei übernommen hatte (eine Position, die er elf Jahre lang innehatte, bevor er im Jahre 2014 Präsident wurde), das Land zum Autoritarismus zurückgekehrt sei, als er seine Macht durch Verfassungsänderungen festigte, die zur Erosion der demokratischen Institutionen im Land, einschließlich der Justiz und der Medien, sowie zur Inhaftierung von Gegnern und Kritikern geführt hatte, wobei ein wesentlicher Teil der Inhaftierten Journalisten sind.
Während das Magazin darauf hinweist, dass die Türkei aufgrund der aktuellen Machenschaften und Aktivitäten Erdogans zu den zehn autoritärsten Ländern der Welt zählt, stufte die Organisation Freedom House laut dem schwedischen V-Dem-Institut den Status des Landes von „teilweise frei“ herab “ auf „nicht frei“. Da Erdogan noch fünf Jahre im Amt ist, ist es unwahrscheinlich, dass er in seiner innenpolitischen Agenda eine Kursänderung beschließt, und wenn überhaupt, wird er wahrscheinlich sogar noch weiter gehen und noch autoritärer werden.
Gonul Tol, die Autorin des Buches „Erdoğan’s War: A Strongman’s Struggle at Home and in Syria“, sagte: „Wenn Autokraten mit einem instabilen inneren Umfeld konfrontiert sind, vervielfachen sie ihre Unterdrückung“. Sie erklärte zudem, dass Erdogan zwar auf Druck als Mittel zum Zweck zurückgreifen könne, um Ordnung zu schaffen, jedoch sei er nicht dazu bereit, zu einer traditionelleren Wirtschaftspolitik zurückzukehren, um die finanzielle Stabilität des Landes wiederherzustellen; so wird er wahrscheinlich auch nicht nachsichtiger sein, wenn es um die Wiederherstellung der demokratischen Glaubwürdigkeit des Landes geht.
Sie fügte weiter hinzu: „Wir haben einen Punkt erreicht, an dem Erdogan die Rechte und Institutionen in einem solchen Ausmaß untergraben hat, dass die Türkei nicht mehr als Demokratie dargestellt werden kann“, und wies gegenüber den Erklärungen der internationalen Wahlbeobachter darauf hin, dass die türkischen Wahlen, trotz ihres scheinbar freien und wettbewerbsorientierten Kerns, dennoch im Grunde genommen unfair waren. Sie fuhr fort: „Wir nähern uns einem Punkt, an dem die Türkei zu einem Land wird, in dem Wahlen möglicherweise nicht mehr als wichtig angesehen werden.“
Entscheidende internationale Auswirkungen nach Erdogans Sieg
Das „Time“-Magazin stellte zudem fest, dass sich die Auswirkungen von Erdogans Sieg nicht nur auf die Türkei beschränken, sondern zumindest für die NATO erhebliche internationale Auswirkungen haben wird. Im Gegensatz zu anderen Mitgliedern des Bündnisses hat die Türkei selbst ihr Bestes gegeben, um intensive Beziehungen zu Russland aufzubauen, und im Jahr 2017 hat die Türkei kontrovers dem Kauf des S-400-Raketenabwehrsystems von Moskau zugestimmt; während die Mehrheit der anderen Länder also nach der vollständigen Invasion der Ukraine gegen Russland Sanktionen verhängt hatte, setzte die Türkei ihre Beziehungen zu Moskau fort.
Das Magazin stellt außerdem fest, dass Erdogan kürzlich in einem Interview mit der CNN seine „besondere Beziehung“ zum russischen Präsidenten Wladimir Putin bekräftigte und nochmals bestätigte, dass die Türkei ausschließlich gegen den Beitritt Schwedens zur NATO sei. Tatsächlich hatte Ankara zuvor Finnland und Schweden daran gehindert, dem Militärbündnis beizutreten, indem es seine Besorgnis über ihre jeweilige Unterstützung kurdischer Kämpfer zum Ausdruck brachte, die die Türkei und die Vereinigten Staaten gemäß ihren Behauptungen als Terrororganisationen betrachten, und schließlich seinen Widerstand gegen Finnland aufgab, welches letzten Endes zum 31. NATO-Mitglied geworden ist und von seinem Veto gegen Schweden Gebrauch macht.
Die Möglichkeit der Ausweisung syrischer Flüchtlinge
Ahmed Al-Anani, Forscher für internationale Beziehungen, sagte seinerseits gegenüber der Target Media Platform: „Wenn wir über Erdogans Sieg in Bezug auf die kurdische Frage und die Frage der syrischen Flüchtlinge sprechen, dann glaube ich, dass Erdogan in seinem Bündnis mit Sinan Ogan sicherlich einige Versprechungen gemacht hat, insbesondere im Hinblick auf die Abschiebung einiger syrischer Flüchtlinge.“ Das deutet darauf hin, dass Erdogans Bündnis mit dem rechtsextremen Politiker Ogan, ihm in der Stichwahl einen Vorteil verschafft hat.
Al-Anani fügte weiter hinzu, dass sich die türkische Außenpolitik nach Erdogans Sieg relativ ändern wird, je nachdem, wie es ihm in Bezug auf die wirtschaftliche Situation passt, da seine bisherige Politik schwierige wirtschaftliche Auswirkungen auf sein Land hatte, die eine Wirtschaftskrise sowie einen erheblichen Wertverlust der türkischen Lira und die Stagnation der türkischen Marktlage verursachten. Daher besteht möglicherweise eine große Offenheit gegenüber den arabischen Ländern, da Erdogan den Grad der Koordinierung und des Handelsaustauschs mit den arabischen Staaten, insbesondere mit dem Königreich Saudi-Arabien, verbessern möchte, wobei er auch eine Reise unternehmen wird, die zahlreiche Länder in der Region des Nahen Osten umfasst.
Darüber hinaus glaubt Al-Anani, dass das Tempo der Normalisierung der Beziehungen im Hinblick auf die aktuelle Frage der Annäherung zwischen Ägypten und der Türkei angesichts des wirtschaftlichen Nutzens und der politischen Vereinbarungen in vielen Aspekten, insbesondere bei den noch offenen Fragen wie der aktuellen Situation in Libyen, recht schnell sein wird und fügte hinzu, dass Erdogan Ägypten als einen Faktor ansieht, der Einfluss auf die östliche Mittelmeerregion hat. Daher versucht er hier auf viele Kritikpunkte zu reagieren, die er von der Opposition an der türkischen Außenpolitik erhalten hat.
Er betonte weiter, dass Erdogan dazu tendieren könnte, im Rahmen der Konfrontation mit den Kurden stärker im Nordirak und in Syrien einzugreifen, und betonte, dass sich die Außenpolitik angesichts des Sieges Erdogans im Allgemeinen nicht wesentlich ändern werde, sie aber möglicherweise zu einer Annäherung mit einigen Ländern wie Ägypten und Saudi-Arabien tendiere, wie die Geschehnisse im Nordirak und in Syrien zeigen.
Es war kein fairer Wahlkampf
Das Medien-Netzwerk „Fox“ wiederum sagte, dass die Wahlen in der Türkei kein völlig fairer Kampf gewesen seien, da Erdogan die Medien und staatlichen Ressourcen weitgehend kontrolliere und er dies vor den Wahlen ausgenutzt habe. Es wurde ferner bekräftigt, dass Erdogans Ausbeutung staatlicher Ressourcen mit der Existenz zusätzlicher elektoraler Unregelmäßigkeiten verbunden waren, die Erdogan den Sieg sicherten.
Das Netzwerk erklärte weiter, dass Erdogans Wiederwahl tiefgreifende Auswirkungen auf die Türkei und den Rest der Welt habe, da er versucht habe, die vorgebliche Macht der Türkei in der Region und darüber hinaus auszuüben, wobei Erdogan die heimische Verteidigungsindustrie als Beweis für seine globale Unabhängigkeit ausbauen wollte, zusätzlich zu neuen Operationen im Nordirak und in Syrien, Kämpfen mit der NATO, einer Annäherung an den russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie dem Kauf russischer Waffensysteme und russischem Öl, nachdem Moskau seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen hatte; selbst dann als er Kiew Kampfdrohnen verkaufte.
OSZE: „Ein Team ohne Schuhe“
Auf gleicher Ebene lehnten es die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in einer gemeinsamen Erklärung am Montag, ab, die zweite Runde der türkischen Präsidentschaftswahlen als „frei und fair“ zu betrachten.
Darüber hinaus sagte Farah Karimi, Leiterin der Delegation der Parlamentarischen Versammlung der OSZE: „In der schwierigen Situation, in der wir uns derzeit in der Türkei befinden, aber mit der hohen Wahlbeteiligung und der Erkenntnis, dass die Menschen die Wahl zwischen echten politischen Alternativen hatten, wäre es kurzsichtig zu sagen, dass die Wahlen frei oder fair gewesen seien“. Sie betonte zudem die „Notwendigkeit, die Kommentare der OSZE hinsichtlich der von ihr als „voreingenommen“ bezeichneten Medienberichterstattung über die Wahlen und des mangelnden Zugangs der Opposition zu den Medien zu berücksichtigen“.
Der Leiter der Beobachtermission der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, Frank Schwabe, sagte wiederum: „Es ist schwierig, einen komplexen Prozess wie Wahlen in ein oder zwei Worten zu beschreiben. Wenn ich meine Kinder frage: Wenn zwei Mannschaften Fußball spielen und eine dieser beiden Mannschaften Schuhe trägt und die andere nicht, ist das dann fair oder nicht? Ich weiß es nicht, es ist nicht einfach, wir mussten viele Aspekte bewerten, und wir wollen diese Bewertung nicht auf ein oder zwei Worte reduzieren“. Er weiß ebenfalls darauf hin, dass „der zweite Wahlgang unter Bedingungen stattfand, die nicht immer im Einklang mit den Bedingungen für die Durchführung demokratischer Wahlen waren“.