“Frankreich muss die Hilfe für Nord- und Ostsyrien erhöhen”

Der Besuch einer Delegation aus der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien zu diplomatischen Gesprächen in der französischen Hauptstadt Paris führte in Ankara zur Aufregung und Einbestellung des französischen Botschafters. Target sprach mit Roksan Muhammad, eine der Teilnehmerinnen der Delegation über den Besuch.

Am vergangenen Wochenende kündigte das Außenbüro der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien (AANES) den Besuch einer Delegation beim französischen Senat in Paris an. Zur Delegation gehörten Bedran Ciya Kurd als Ko-Vorsitzender des Büros für Außenbeziehungen, Abdulkarim Omar als Vertreter der AANES in Europa, Xalid İsa als Vertreter der AANES in Frankreich sowie der YPG-Sprecher Nuri Mahmud und die YPJ-Sprecherin Roksan Muhammad an. Die Volksverteidigungseinheiten (YPG) und die ausschließlich aus Frauen bestehenden Einheiten der YPJ sind beide Teil der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), die die Streitkräfte der Region darstellen.

Die Delegation wurde am Samstag von Pierre Laurent, dem Vizepräsidenten des französischen Senats, empfangen. Der Besuch fand unter dem Vorzeichen des Massakers am 20. März im türkisch besetzten Jindires bei Afrin statt, bei dem vier Kurden während der Newroz-Feierlichkeiten von Mitgliedern einer pro-türkischen syrischen Oppositionsgruppe getötet wurden.

Roksan Muhammad sagte zu Target: “In unseren Gesprächen sprachen wir über Newroz und den Wert von diesem Feiertag für die Kurden. Danach sprachen wir über die Situation in Nord- und Ostsyrien, über die Stellung der Frauen und die Rolle der Frauenschutzeinheiten YPJ im Krieg gegen den IS”. Der Islamische Staat (IS) ist weiterhin eine große Gefahr für die gesamte Region. Alleine in der Selbstverwaltung sind Tausende ihrer Mitglieder inhaftiert und abseits der Gefängnisse versucht der IS, der weiterhin Anschläge verübt, sich neu aufzustellen.

Die Sprecherin der YPJ erklärte dazu: “Wir sprachen auch über die neuesten militärischen Entwicklungen und darüber hinaus über die Bedrohung durch den IS, die nicht nur in der Region, sondern auch in Europa immer noch besteht, und wie diese Risiken eingedämmt werden können”. Europa ist sich dieser Bedrohung nach den Anschlägen eigentlich bewusst. Vor allem in Frankreich verübte der IS mehrere blutige Anschläge, darunter der Bataclan-Anschlag in Paris oder der LKW-Anschlag in Nizza. Heute wird in Syrien der Kampf gegen den IS hauptsächlich von der SDF und der US-geführten Internationalen Koalition gegen den IS getragen, wobei Frankreich unter dem Namen ‘Opération Chammal’ Mitglied der Koalition ist, jedoch wie das restliche Europa aber kaum noch aktiv ist.

Der Kampf gegen den IS ist dabei gefährdet. Die Türkei droht immer wieder mit einem erneuten Einmarsch in die Region, wobei sie immer wieder die Region bombardieren und gezielte Drohnenangriffe ausführen. Muhammad erklärte dazu: “Auch der türkische Staat bedroht und greift die Region an, und das bringt die Region in Gefahr. Wir sprachen auch über die Ziele des türkischen Staates durch diese Angriffe und die Gefahren dieser Angriffe und Bedrohungen für die Region als Ganzes”.

Im weiteren Verlauf der Gespräche wurde auf die humanitäre Situation in der Region aufmerksam gemacht, vor allem nach dem verheerenden Erdbeben am 6. Februar. In Nordsyrien herrscht seit dem Erdbeben eine katastrophale humanitäre Lage. Humanitäre Hilfe aus dem Ausland kommt kaum in der Selbstverwaltung an und in den anderen Gebieten Nordsyriens herrscht das pure Chaos, wo oppositionelle Fraktionen und Sicherheitskräfte der Regierung teilweise die Hilfen beschlagnahmen und bestimmte Volksgruppen, wie die Kurden in Afrin oder in Teilen Aleppos bei der Verteilung diskriminieren. In diesem, aber auch in Zusammenhang mit der allgemeinen Situation in Nord- und Ostsyrien mahnte Roksan Muhammad: “Wir sprachen auch darüber, wie die Region unterstützt werden kann und wie diese Hilfe erhöht werden kann, um die Not der Region zu lindern”.

Der Vizepräsident des französischen Senats betonte das Interesse Frankreichs an einer weiteren Zusammenarbeit mit der AANES auf dem Gebiet der Sicherheit und der Terrorismusbekämpfung und drückte den Opfern der Newroz-Morde in Jinderis und den Opfern des tödlichen Erdbebens sein aufrichtiges Beileid aus.

Bei einer späteren Newroz-Feier in Paris erhielten Nuri Mahmud und Roksan Muhammad vom französischen Senator Xavier Ecoville im Namen des französischen Senats die Ehrenmedaille für ihren Einsatz gegen den Islamischen Staat (IS). Muhammad sagte dazu: “Die Auszeichnung, die uns überreicht wurde, war eine Form des Dankes, der Wertschätzung und des Lobes an unser Volk und unsere Streitkräfte für den Widerstand. Wir wurden vom französischen Senat für die Opfer geehrt, die unsere Streitkräfte zum Schutz der Region und zur Bekämpfung des Terrorismus erbracht haben”.

Trotz der besonderen Ehrung, kritisierte Muhammad jedoch die französische Politik, die ihre Pflichten in anderen Bereichen verfehle. In Nordsyrien stehen weite Teile des Landes unter türkischer Besatzung. Während die Türkei seit Jahren nun schon in diesen Gebieten mit der Hilfe ihr angegliederter syrischen Oppositionsgruppen herrscht, stehen in diesen Gebieten von vielen Seiten aus dokumentierten Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen an der Tagesordnung. Trotz dieser Zustände herrscht international diesbezüglich Stille. So sagte Muhammad im Hinblick auf die Verbrechen im besetzten Afrin: “Während der Reden wurde die Rolle unserer Streitkräfte gepriesen, aber es wurde auch über das kürzliche Massaker in Afrin und die Verbrechen gesprochen, die vor fünf Jahren angefangen haben und die noch heute andauern. Wir haben betont, dass unsere Partner in Frankreich Maßnahmen ergreifen müssen, insbesondere nach dem Massaker in der Nacht von Newroz, um die Bevölkerung vor Ort zu schützen und um uns besser zu unterstützen”.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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