Das Parteiverbotsverfahren gegen die HDP: Eine systematische türkische Politik zur Kriminalisierung und Unterdrückung der Kurden
Die Demokratische Partei der Völker (HDP) kündigte an, sich unter dem Emblem der Grünen Linkspartei (YSP) an den Parlamentswahlen in Türkiye zu beteiligen. Die Entscheidung wurde aufgrund der Möglichkeit eines Verbotes der Partei HDP getroffen, nachdem das Verfassungsgericht den Antrag auf Vertagung der mündlichen Verteidigung abgelehnt hatte. Sollte die HDP offiziell geschlossen werden, wird sie die achte Partei in der politischen Geschichte von Türkiye sein, die die Rechte der Kurden verteidigt hat und verboten wurde.
Nach der Gründung der ersten pro-kurdischen Partei Arbeitspartei des Volkes (HEP) 1990 durch kurdische Politiker wurden viele Parteien bis 2009 durch Gerichtsurteile geschlossen. Zudem mussten sich zwei Parteien, die Demokratische Volkspartei (DEHAP) und die Freie Gesellschaftspartei (ÖTP), auflösen. Vierzehn Jahre nach der Partei der Demokratischen Gesellschaft (DTP), der letzten Partei, die verboten wurde, droht die HDP geschlossen zu werden.
Am 7. Juni 1990 wurde die Arbeitspartei des Volkes (HEP) gegründet, die sich nach einer Konferenz am kurdischen Institut in Paris um die Kurdenfrage gebildet hatte. Bei den Parlamentswahlen am 20. Oktober 1991 wurden 18 Abgeordnete der HEP gewählt. Der politische Weg der Partei dauerte jedoch nicht lange. Bei dem Amtseid im Parlament am 6. November 1991 führten die Erklärung des Abgeordneten Hatip Dicle, er müsse den Text unter dem Druck der Verfassung lesen, und die abschließenden Worte der Abgeordneten Leyla Zana auf kurdisch mit den kurdischen Farben gelb-rot-grün auf Kragen und Kopf in kurzer Zeit zu Ermittlungen. Im September 1993 wurde die Partei verboten. In der Zwischenzeit wurden Dutzende HEP-Funktionäre und Sympathisanten ermordet oder ließ man verschwinden.
1992 wurde die Partei für Freiheit und Demokratie (ÖZDEP) gegründet, als die Schließung der HEP in Aussicht stand. Der Platz der ÖZDEP in der politischen Arena war aber auch temporär. Das Verfassungsgericht schloss die ÖZDEP am 23. November 1993. Die kurdische Politik stand zum zweiten Mal vor der Schließung der Partei. Da sie sich der Risiken bewusst waren, wurde während des Prozesses die Demokratische Partei (DEP) gegründet. Es wurde jedoch auch ein Schließungsverfahren gegen die DEP eingeleitet, bei dem die Immunität von 13 DEP-Abgeordneten aufgehoben und einige von ihnen verhaftet wurden. Türkiye wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für die Verhaftung mehrerer Abgeordneter der Partei verurteilt.
Da jede etablierte Partei vor der Schließung stand, mussten kurdische Vertreter viele neue Parteien gründen: 1994 wurde die Partei der Demokratie des Volkes (HADEP), 1997 die Demokratische Volkspartei (DEHAP), 2003 die Freie Gesellschaftspartei (ÖTP) und 2005 die Partei der Demokratischen Gesellschaft (DTP) gegründet. Die DTP war die letzte Partei in der kurdischen Politik, die 2009 vom Verfassungsgericht verboten wurde. Im selben Jahr wurde jedoch die Partei für Frieden und Demokratie (BDP) gegründet.
Schließlich kündigte die Demokratische Partei der Völker (HDP) 2012 ihre Gründung an. Kurdische Politiker der BDP beschlossen, die allgemeine Politik der Türkei mit der HDP und die Lokalpolitik mit der DBP fortzusetzen. Die BDP wurde 2014 in Partei der Demokratischen Regionen (DBP) umbenannt. Die HDP hingegen nahm mit 67 Abgeordneten ihren Platz im Parlament ein und erhielt bei den Wahlen 2018 11,7 Prozent der Stimmen. Heute gilt die Klage zur Schließung von HDP im Jahr 2021 als Fortsetzung aller anderen Parteien, die geschlossen wurden. Die Entscheidung der HDP, sich unter dem Dach der YSP an den Wahlen zu beteiligen, ist schließlich eine Notlösung mit Tradition. Eine Tradition, die sich trotz der Repressalien am demokratischen Willensbildungsprozess teilnehmen will.