Qamischli – Ali Omar
Die Menschenrechtsverletzungen der türkischen Besatzungsgruppen in Nordsyrien und der Plan des demografischen Wandels sind zwar nicht neu, aber nach dem verheerenden Erdbeben, das die Region vor über zwei Wochen heimgesucht hat, hat sich das Tempo von diesem Plan noch weiter erhöht. Diese Entwicklung hat den mit der Türkei verbündeten Ländern, angeführt von Katar, die Tür geöffnet, ganz im Sinne des demografischen Wandels, weitere Siedlungen zu bauen, insbesondere in der Region Afrin im Nordwesten des Landes. So sollen weitere Tausende angesiedelt werden, parallel zu den bereits seit 2018 hinzugezogenen Hunderttausenden von Siedlern aus anderen Regionen Syriens auf Kosten und dem Boden der einheimischen Bewohner, die schikaniert und systematisch vertrieben werden.
Das neuste Kapitel der Politik des demografischen Wandels in der Region Afrin ist ein katarisches Siedlungsprojekt, das Hunderte Wohneinheiten im ländlichen Distrikt „Shih“ umfasst. Diese Siedlungen wurden im Beisein einer offiziellen Delegation aus Katar anlässlich der Einweihung des „Model Qatari Settlement Village“ im Dorf „Jaqla Tahati“, im Sheikh al-Hadid Distrikt im ländlichen Afrin gebaut. Zweihundert Familien von Rekruten der bewaffneten Fraktionen aus anderen Regionen werden im Rahmen eines zwischen der türkischen Besatzung und Katar vereinbarten Plans hier angesiedelt, wobei das „Siedlungsdorf“ im Beisein des Leiters der Qatari International Group der Rettungsteam der katarischen Sicherheitskräfte, Mubarak Sherida Al-Kaabi, und des Führers der oppositionellen “Al-Amshat”-Fraktion der türkischen Besatzung, bekannt unter dem Namen Muhammad Al-Jassem “Abu Amsha”, eingeweiht wurde.
Katar beauftragt einen Zwischenhändler der Muslimbruderschaft, um den Bau der Siedlungen zu überwachen
Quellen aus der Region Afrin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben wollten, bestätigten gegenüber der Target Platform, dass Katar einen Zwischenhändler der Muslimbruderschaft namens “Muhammad Nazir al-Hakim” beauftragt hat, die sogenannten “Wiederaufbaumaßnahmen” in Jindires zu überwachen, dort Siedlungen zu bauen und Pläne für den demografischen Wandel in der Region voranzutreiben. Die Nachrichtenagentur “Afrin Post” zitierte anonyme Quellen und erklärte, die Fraktionen hätten auf beiden Seiten der Straße zwischen der Stadt Afrin und dem Bezirk Jindires in einem Abstand von zehn Kilometern mehrere Lager errichtet und die kurdischen Bewohner des Bezirks aufgefordert, dorthin zu ziehen, was sie jedoch aus Angst vor Gewalttaten durch die Fraktionen und Siedler ablehnten.
Der Direktor des Kurdish Center for Studies, Nawaf Khalil, sagte in einem Interview mit der Target Media Platform, dass die Geschehnisse in Afrin im Rahmen des 1925 vom türkischen Parlament verabschiedeten “Ostreformprojekts” geschehen. Diese Entscheidung zielte darauf ab, einen vollständigen demografischen Wandel im Norden der kurdischen Siedlungsgebiete, also in der heutigen Südosttürkei, herbeizuführen, so dass bis 1925 niemand mehr in Diyarbakir lebt und erst recht niemand dort sagt: „Ich bin Kurde“.
Khalil fügte hinzu, dass das Projekt auf den westlichen Euphrat ausgerichtet sei, und wies darauf hin, dass die türkischen Machthaber aufgrund der damaligen wirtschaftlichen Situation und des Ausbruchs des Weltkriegs nicht in der Lage gewesen seien, das Projekt abzuschließen. Es wurde daher nicht vollständig umgesetzt, sondern betraf die Gebiete im Westen des Euphrat innerhalb der Türkei und erreichte nun auch Afrin in Form einer Besatzung und der Ansiedlung von etwa 400.000 Menschen in die Region im Austausch für die Vertreibung von mehr als 300.000 Menschen aus der einheimischen Bevölkerung Afrins.
Die Menschenrechtsorganisation Afrins erklärte ihrerseits in den ersten Tagen nach dem verheerenden Erdbeben, dass der CEO der Qatar Charity Foundation, Youssef Al-Kuwari, in einem Videoclip, der auf der Twitter-Seite der Stiftung gepostet wurde, den Start der ersten Phase der sogenannten “Stadt der Würde” am Rande des Bezirks Jindires im ländlichen Afrin angekündigt habe. Ziel des Projekts ist die Errichtung eines Siedlungskomplexes, in dem rund 600 Familien der bewaffneten oppositionellen Fraktionen und Siedler unter dem Vorwand des Wiederaufbaus des Bezirks angesiedelt werden sollen.
Die Organisation bestätigte in einem Bericht, dass die türkische Besatzung von den Einwohnern des Distrikts Jindires verlangt habe, ihre Häuser zu verlassen und sich in Sammellager zu begeben, um Hilfsgüter von humanitären Organisationen erhalten zu können. Unter diesem Vorwand sollen die Bewohner der Gegend zum Verlassen ihrer Häuser bewegt werden, damit sich die mit der Türkei verbündeten Fraktionen diese aneignen und das Hab und Gut der Bewohner stehlen können. Es handelt sich dabei um einen systematischen Plan, den Bezirk von seinen ursprünglichen Bewohnern zu säubern und Platz für die Neuerrichtung einer Siedlung zu schaffen, in der Siedler von außerhalb untergebracht werden sollen.
Das Siedlungsprojekt in Afrin und seiner Umgebung wird seit der Besetzung der Region am 18. März 2018 durch die Türkei und den ihr untergeordneten bewaffneten Fraktionen stetig fortgesetzt. Viele Menschenrechtsorganisationen dokumentierten den Bau dutzender Siedlungseinheiten mit katarischen Geldern und unter dem Namen palästinensischer und kuwaitischer Wohltätigkeitsorganisationen, um dort zunächst Familien von Milizen anzusiedeln. Dies führte zu einem großen demografischen Wandel in der Region, nachdem die einheimische kurdische Bevölkerung vertrieben wurde, deren Anteil von über 75 Prozent vor der Besatzung auf weniger als 30 Prozent nach dem Einmarsch in die Region deutlich gesunken ist.
Der Direktor des Kurdish Center for Studies, Nawaf Khalil, erklärte weiter, dass die gefährlichste Phase für die Veränderung der demografischen Zusammensetzung Afrins die gegenwärtige Phase sei, in der die weltweite Anteilnahme für das Erdbeben, das die Region, insbesondere im Distrikt Jindires, heimgesucht hat, ausgenutzt wird und alle Aktivitäten unter dem Deckmantel humanitärer Arbeit durchgeführt werden, um einen dauerhaften demografischen Wandel herbeizuführen. Er wies darauf hin, dass in diesem Zusammenhang ein UN-Beamter sich mit dem Vorsitzenden der sogenannten „Übergangsregierung“, Abd al-Rahman Mustafa, traf.
Darüber hinaus stellt die Beteiligung von Katar und “islamischen Vereinigungen” aus Kuwait und Israel eine echte Gefahr im Bereich des demografischen Wandels dar, der zwei Formen annehme: die Vertreibung der Kurden aus Afrin und die Ansiedlung von Hunderttausenden aus Deir ez-Zor, Damaskus sowie die Umgebung und anderen Regionen Syriens. Er betonte, dass diese Politik dem widerspreche, was jene fordern, die sich als Opposition bezeichnen, dass sie nämlich gegen den demografischen Wandel seien, den das “diktatorische Regime” in Syrien herbeiführen würde, wie er es ausdrückte.
Es ist bemerkenswert, dass die Organisation “Syrer für Gerechtigkeit und Wahrheit” in einem Bericht vom vergangenen Juni, der auf Angaben eines dorthin entsandten Investigativteams und Auswertung von Satellitenbildern basierte, ebenfalls bestätigt hat, dass die türkische Besatzung, die bewaffneten Fraktionen und ihre sogenannten “Lokalräte” ganze Siedlungen in einer Berglage der Stadt Afrin errichtet haben, um Mitglieder der sogenannten “Nationalen Armee” unterzubringen. Der Exekutivdirektor der Organisation, Bassam Al-Ahmad, warf der Türkei vor, für eine tiefgreifende Veränderung der Bevölkerungsstruktur in Afrin verantwortlich zu sein, indem sie Siedlungsprojekte für Mitglieder der bewaffneten Fraktionen und ihre Familien ins Leben rief und die Kurden und andere unerwünschte Bevölkerungsgruppen verdrängte. Der Leiter der Presse- und Menschenrechtsabteilung der Organisation, Heba Al-Dabbas, sagte in einer Pressemitteilung, sie hätten eine Kopie des Bauplans für ein Siedlungsprojekt in der Bergregion Afrins erhalten, wo 25 Prozent der Wohnungen an Siedler und etwa 75 Prozent an Mitglieder der regierenden Oppositionsfraktionen verteilt werden sollen.