Die Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien kündigte am Tag des verheerenden Erdbebens im türkisch-syrischen Grenzgebiet an, schnelle Hilfe für die schwer getroffenen Gebiete in Nordwestsyrien bereitzustellen. Tatsächlich schafften es die Verantwortlichen, mit der Hilfe der Zivilbevölkerung mehr als 80 LKW’s mit Hilfsgütern und Treibstoff zusammenzustellen.
Dabei leidet man selbst an den Folgen des nun schon seit mehr als 10 Jahren andauernden Bürgerkriegs. Die Region ist zugleich immer wieder Ziel von türkischen Militäroffensiven und -angriffen. Zuletzt startete die Türkei im November des letzten Jahres eine intensive Luftoperation gegen die Region, bei der gezielt die zivile Infrastruktur angegriffen und großflächig zerstört wurde. Außerdem wurden auch Teile der Selbstverwaltung schwer vom Erdbeben getroffen. Die al-Shahba Region um Tal Rifaat im Norden Aleppos sowie in Teilen von Manbidsch oder Kobane gab es ebenfalls große Schäden, durch die viele Menschen betroffen waren. Dennoch beschloss die Selbstverwaltung trotz aller politischen Differenzen und Schwierigkeiten den in Mitleidenschaft gezogenen Syrern schnelle Hilfe zu leisten.
„Die erste Hilfsaktion für Nordwestsyrien umfasste 33 Lastkraftwagen mit Hilfsgütern und Treibstoff und wartet am Grenzübergang Umm Jaloud auf die Weiterfahrt”, sagte Jawan Mulla Ibrahim von der Medienabteilung der Selbstverwaltung für die Target Media Platform und kündigte an, dass weitere Hilfsaktionen folgen werden.
Doch die dringend benötigt Hilfe kann derzeit in Nordwestsyrien nicht ankommen, obwohl die vom Erdbeben gezeichneten Gebiete weitgehend von der internationalen Gemeinschaft trotz Zuspruch von Hilfe und Hilfeleistungen, im Stich gelassen wurden. Seit nun schon drei Tagen wird der Hilfskonvoi am Grenzübergang aufgehalten. Mulla Ibrahim sagte diesbezüglich: „Wir haben Informationen, dass einige bewaffnete Oppositionsfraktionen diejenigen Gruppen bedrohten, die versuchten, Hilfslieferungen von Umm Jaloud Grenzübergang zu erhalten“. Gemeint sind damit Gruppierungen, die in der Syrischen Nationalen Armee (SNA) organisiert sind, einem militärischen Verbund oppositioneller Kräfte, die unter türkischer Führung gegründet wurde und hauptsächlich aus Ankara finanziert und bewaffnet wird. Diese Gruppen üben in weiten Teilen Nordwestsyriens unter türkischer Kontrolle die Verwaltung aus.
Eine Quelle aus der Verwaltung des Gemeinderates von Jindires, die aus Sicherheitsgründen es vorzog, anonym zu bleiben, gab bekannt, dass man in Jindires den großen Wunsch hatte, den Hilfskonvoi aus den Gebieten der Selbstverwaltung anzunehmen, da auch die dringend benötigte Hilfe der internationalen Gemeinschaft bislang weitgehend ausblieb. Doch aus noch unbekannten Gründen soll die türkische Seite der Verwaltung diese Lieferungen untersagt haben.
Diese politisch anmutende Entscheidung und Haltung stieß bei Mulla Ibrahim auf Unverständnis. “Die Position der Selbstverwaltung ist, indem sie unserem syrischen Volk Hilfe leistet, klar und öffentlich. Wir betrachten die Hilfeleistung als eine nationale und humanitäre Pflicht, aber leider verfolgt die Gegenseite nicht den gleichen Ansatz”, sagte Mulla İbrahim.
Doch nicht nur in den Gebieten unter der Kontrolle der Türkei und von ihr unterstützten Milizen kommen die Hilfslieferungen nicht an. Obwohl die syrische Regierung des Machthabers Bashar al-Assad dem Hilfsangebot aus Nord- und Ostsyrien zugesagt hat, wartet ein Hilfskonvoi bestehend aus 50 LKW’s auf die Weiterfahrt nach Aleppo.
Aus Nord- und Ostsyrien ist die Bereitschaft für humanitäre Hilfe und den sicheren Transport der Hilfsgüter groß: „Die Selbstverwaltung ist nun bereit, als Transitgebiete für Hilfsgüter zu fungieren und wir verpflichten uns weiterhin, den Schutz der humanitären Konvois zu gewährleisten, um die Ankunft bei den betroffenen Syrer im Nordwesten des Landes zu garantieren“, so Mulla Ibrahim.
Während die Menschen in Nordwestsyrien in der Eiseskälte ausharren müssen, ist die politische Haltung aus den verschiedenen politischen Lagern in Syrien mehr als nur fragwürdig. Bedran Ciya Kurd, Ko-Vorsitzender des Büros für Außenbeziehungen der Selbstverwaltung forderte die internationale Gemeinschaft zum Handeln auf: “Die Katastrophe, die die Region verwüstete, zeigt das wahre Gesicht der Tyrannen, die allen menschlichen Werten zuwiderlaufen. Die Blockade auf beiden Seiten der Grenze richtet sich gegen Kurden und Syrer. Politische Herausforderungen behindern die Ankunft von Hilfe und das erfordert das dringende Eingreifen der internationalen Gemeinschaft, um die Betroffenen zu retten sowie die Übergänge für dringende humanitäre Hilfe zu öffnen”.
The political challenges obstruct the delivery of aid, which requires urgent intervention from the international community to save the affected people and open the crossings for urgent humanitarian response.(2)#earthquakeinsyria
— Bedran Çiya Kurd (@BedranCiyakurd) February 11, 2023