Verheerendes Erdbeben in Syrien und der Türkei: In Syrien ist die Hilfe dringender wie nie zuvor

Mitten in der Nacht und kurz vor dem Morgengrauen, als die meisten Menschen noch am Schlafen waren, traf ein folgenschweres Erdbeben die Südosttürkei und den Norden Syriens. Laut dem türkischen Katastrophenschutz AFAD lag das Epizentrum des schwersten Erdbebens mit einer Stärke von 7,4 in Pazarcik in der Nähe der Millionenstadt Gaziantep, unweit der syrischen Grenze. Die AFAD korrigierte die Zahl später auf 7 7. Die amerikanischen Erdbebeninstitute gaben die Stärke sogar mit 7,8 an. In den ersten Stunden nach dem Erdbeben wurden weitere 70 Nachbeben registriert, darunter ein weiteres starkes Beben mit der Stärke 6,6 im türkischen Gaziantep.

Für die Türkei, als auch für Syrien, ist es das schwerste Erdbeben ihrer Geschichte. Die Ausmaße des Erdbebens sind noch nicht ersichtlich, werden aber in den kommenden Tagen wahrscheinlich die schlimmsten Befürchtungen zum Vorschein bringen, wie den ersten Bildern, Videos und Angaben zu entnehmen ist.

Bis zum Mittag meldete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan 912 Tote und mehr als 5000 Verwundete in der Türkei. In den sozialen Netzwerken kursieren Videos, die zeigen, wie verzweifelte Dorfbewohner versuchen, Selbsthilfe zu leisten, da die Rettungskräfte bis zum Mittag viele Gebiete, vor allem ländliche, noch nicht erreicht hatten. Die Türkei liegt geographisch auf einem stark erdbebengefährdetem Gebiet und hat vor allem nach dem schweren Erdbeben in İstanbul 1999, sich gegen solche Szenarien besser gewappnet. Dennoch traf das Erdbeben die Türkei schwer.

Während die internationale Aufmerksamkeit vor allem auf die Türkei gerichtet ist, traf das Erdbeben Syrien genauso, wenn nicht sogar schwerer als die Türkei. Syrien kann auf das Erdbeben nicht mit denselben Mitteln wie die Türkei reagieren. Dazu fehlt es überall an Kapazitäten und Koordination. Außerdem ist das Land vom Bürgerkrieg derart zerrüttet, dass ein gemeinsames Vorgehen im Land nicht möglich ist. Die Angaben über die Opferzahlen und Schäden schwanken. Da mehrere Gebiete von mehreren Parteien in Syrien kontrolliert und regiert werden, sind ganzheitliche Zahlen schwierig. Die ersten Angaben nannten eine Zahl von mehr als 350 Toten, wobei diese Zahlen in den nächsten Tagen sehr stark steigen sollten.

Der Aufruf im syrischen Staatsfernsehen, dass überall wo Bagger stehen, die Menschen diese für die Bergung nutzen sollen, spricht für die Verzweiflung im Land. Viele Gebäude und Wohnkomplexe im Land sind im Bürgerkrieg beschädigt worden. Diese oft bewohnten Gebäude waren bei diesem Erdbeben besonders einsturzgefährdet. Alleine im türkisch besetzten Afrin sollen mehr als 50 Menschen infolge von Einstürzen gestorben sein. Aus der Millionenstadt Aleppo wurden viele eingestürzte Gebäude und Wohnkomplexe gemeldet. Noch vor einigen Tagen stürzte ein bewohntes, beschädigtes Wohnhaus in Aleppo ein und forderte mehrere Opfer. Insofern kann man sich die drohenden Zahlen vorstellen.

Während aus der ganzen Welt Hilfe versichert wird, vor allem in Richtung der Türkei, ist diese Hilfe in Syrien dringender denn je. Noch vor kurzem warnte der Direktor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen eindringlich vor einer Hungerkatastrophe in Syrien, wo bereits Millionen Menschen akut von Unterernährung betroffen sind und Millionen Menschen ohne die Hilfslieferungen nicht mehr auskommen können. Das Erdbeben verschlimmert die Situation in Syrien zusätzlich. In den vom Erdbeben betroffenen Gebieten Syriens leben zudem Millionen Binnenvertriebene. Menschenrechtler forderten bereits, wie im Falle der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien zum Beispiel, dass die Grenzen für humanitäre Hilfe sofort geöffnet werden müssen.

Die Selbsthilfe unter den Menschen wird nicht genug sein. Wenn die internationale Gemeinschaft nicht schnellstmögliche Hilfe nach Syrien entsendet, bahnt sich dort eine weitere humanitäre Katastrophe an. Dieses muss mit allen möglichen Mitteln verhindert werden.

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