Türkei bombardiert US-geführte Militärbasen in Nord- und Ostsyrien – Sollte die Türkei noch als NATO-Mitglied und Alliierter Deutschlands betrachtet werden?


Nach dem Bombenanschlag in İstanbul am 13. November 2022 hat die türkische Armee eine unerbittliche und gnadenlose Destabilisierungskampagne in Nord-und Ostsyrien begonnen. Besonders die Städte Kobane, Al-Darbasiyah und Dêrik/al-Malikiyah sind davon betroffen.

Mit der steigenden Zahl der zivilen Todesopfer und der absichtlichen Zerstörung der regionalen Infrastruktur sind neue Informationen über die kürzlichen Angriffe auf zwei von den USA geführte Militärbasen der Anti-IS-Koalition bekannt geworden. Die Angriffe fanden unmittelbar nach den US-Statements statt, in denen die US-Regierung öffentlich ihre Ablehnung gegenüber der weiteren Eskalation in der Region durch anhaltende türkische Bombardierung äußerte.

Laut verschiedenen Quellen wurden vier Raketen auf eine Militärbasis in al-Shaddadi im Süden von der Provinz al-Hasaka gefeuert, die von US-Truppen geführt wird. Bei dem Angriff wurden keine Schäden oder Opfer gemeldet.

Zwei Tage zuvor traf eine türkische Kampfdrohne in derselben Provinz eine gemeinsame Militärbasis der US-geführten Internationalen Anti-IS-Koalition und der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die als Operationszentrum genutzt wird. Bei dem Angriff wurden zwei Kämpfer der YAT, der Antiterroreinheiten der SDF, getötet und drei verletzt.

Während die Region und die Menschen in Nord- und Ostsyrien im türkischen Bombenhagel aus der Luft und vom Boden aus gefangen waren, besuchte Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Türkei und traf sich mit ihrem türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu.

Faeser sagte bei dem Treffen mit Soylu, der als nationalistischer Hardliner gilt und in zahlreiche Mafia- und Betrugsskandale in der Türkei verwickelt ist, , dass man an der Seite der Türkei im Kampf gegen den Terrorismus stehe. Zur selben Zeit bombardierte die Türkei die Außenposten des Al-Hol-Camps im Osten von al-Hasaka, wo über 50.000 Angehörige der Terrororganisation IS einsitzen und tötete 8 SDF-Kämpfer, die mit der Sicherheit des Camps beauftragt waren.

Faeser vermied es, trotz der eklatanten Verbrechen des türkischen Staates im Nachbarland, klare und mahnende Worte zu finden. Stattdessen forderte sie, dass die Türkei verhältnismäßig reagiere. Damit signalisierte sie Verständnis für die türkische Darstellung und Rechtfertigung für die militärischen Luftoperationen, obwohl die Hintergründe des Anschlags von Istanbul nicht geklärt sind und die türkischen Darstellungen angezweifelt werden, wie zuletzt auch von den USA.

Dabei geht die Türkei unter Recep Tayyip Erdogan bereits seit längerem einen eigenen Weg. Im Konflikt mit Russland enthält sich die Türkei als einziges Mitglied der NATO von Sanktionen. Die Türkei unterhält weiterhin gute Beziehungen zu Russland und kaufte vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine, trotz Protests aus dem Bündnis, russische Luftabwehrsysteme. Zugleich erpresst die Türkei das Bündnis bei der Aufnahme von Schweden und Finnland in die NATO. Vor kurzem drohte Erdogan auch öffentlich Griechenland, einem NATO-Mitglied, mit Krieg.

In Syrien unterstützt und bewaffnet die Türkei syrisch-oppositionelle Gruppen, die sich zum Teil aus Ex-Kämpfern der terroristischen Milizen al-Nusra-Front und Islamischer Staat gebildet haben. Die Hayat Tahrir ash-Sham, Ableger der terroristischen al-Qaida in Syrien, operiert völlig ungehindert in türkischen Einfluss- und Okkupationszonen. Der Islamische Staat gewinnt aktuell wegen den türkischen Angriffe wieder an Stärke, auch weil die SDF den Kampf gegen die Terrororganisation einstellen musste.

Die Türkei torpediert aktuell in Syrien die Bemühungen und Interessen der Internationalen Anti-IS-Koalition. Für eigene Interessen stärkt die Türkei in Syrien islamistisch-terroristische Gruppen, die mit jeder weiteren türkischen Eskalation in Syrien an Stärke gewinnen und sich zu einem überregionalen Problem entwickeln könnten. Die jüngsten Entwicklungen in Syrien zeigen, dass die Türkei nicht die Ansichten der westlichen Partner teilt und für eine Konfrontation bereit ist. Deutschland muss sich an dieser Stelle die Frage stellen, wie lange sie noch die Türkei beschwichtigen wollen, wenn die Türkei als ‘Alliierter’ sich gegen sie stellt und sogar dazu bereit ist, Alliierte für eigene Interessen anzugreifen.

 

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