Human Rights Watch schlägt wegen der Wasserkrise und dem Choleraausbruch in Nord- und Ostsyrien Alarm: Die Türkei muss die Wasserzufuhr garantieren
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) kritisierte in einem am Montag erschienenen Bericht die Türkei für ihre Wasserpolitik in Nordsyrien und rief die Türkei dazu auf, die Wasserzufuhr aus dem Fluss Euphrat und der Wasserstation bei Alouk zu garantieren, damit die humanitäre Katastrophe in der Region sich nicht weiter verschlimmert.
Türkei für Ausbruch von Cholera verantwortlich
Die HRW macht die Türkei für den tödlichen Choleraausbruch in Syrien, dem Libanon und im Irak mitverantwortlich. Demnach ist eine akute Wasserkrise in der Region die wahrscheinlichste Ursache für den Ausbruch von Cholera, an der laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit dem Ausbruch im September mehr als 24.000 Menschen erkrankt und mindestens 81 gestorben sind.
Die Türkei würde die Wasserkrise verschärfen und die Wasserzufuhr aus dem Fluss Euphrat und der Wasserstation bei Alouk, die in der türkischen Besatzungszone liegt, in den kurdisch geprägten Nordosten des Landes nicht weiterleiten. “Cholera muss nicht tödlich sein”, sagte ein zitierter Mitarbeiter einer Hilfsorganisation mit Hinblick auf die einfache Lösung der Wasserzufuhr.
Die Wichtigkeit des Euphrats: Gründe und Auswirkungen der Wasserkrise
Im Bericht wurde die Wasserkrise im Hinblick auf den syrischen Bürgerkrieg, weitere Ursachen und Auswirkungen erörtert. In den zehn Jahren des Bürgerkrieges habe auch die zivile Infrastruktur sehr gelitten. Laut Angaben der UN sind zwei Drittel der Bewässerungsanlagen, die Hälfte der Pumpstationen und ein Drittel der Wassertürme beschädigt worden.
In Nord- und Ostsyrien seien noch andere verschiedene Gründe für eine akute Wasserkrise verantwortlich. Die HRW machte darauf aufmerksam, dass fünf Millionen Menschen in Syrien bezüglich ihres Wasserverbrauchs direkt vom Euphrat abhängig seien. Doch die Wassermengen, die aus der Türkei nach Syrien fließen, wären bedrohlich niedrig geworden. Die Wasserversorgung könne so kaum gewährleistet werden und eine hohe Kontamination des niedrigen Wassers würde eben zu solchen Krankheiten beitragen. Schon Mitte 2021 seien 54 der 73 Wasserstationen entlang des Flusses wegen der enorm niedrigen Wasserstände kaum funktionsfähig gewesen.
Wenig Regen und die zusätzlichen Unterbrechungen aus der Alouk-Wasserstation hätten die Krise weiter verschlimmert. Der Mangel an sauberem Trinkwasser, Energieerzeugung und Wasserzugang würde das Leben, die Gesundheit, Ernährungssicherheit und die Stromversorgung von Millionen Menschen ernsthaft beeinträchtigen.
Wasser als Waffe: Türkei senkt kontinuierlich die Wassermengen
Die HRW berichtet, wie die Türkei seit Februar 2021 immer mehr die Wassermengen des Euphrats reduzierte, obwohl eine vertraglich festgelegte Menge zwischen Syrien und der Türkei 1987 beschlossen wurde. Bereits im Juni 2020 veröffentlichte eine UN-Organisation, dass die Wasserzufuhr aus der Türkei um 65% abgenommen habe. Die Türkei bestreitet, dass sie die Wassermengen reduzieren würden und sagten stets, dass sie selbst mit niedrigen Wasserständen kämpfen müssten. Doch die HRW wies darauf hin, dass im Jahr 2021, als in Nordsyrien die Wasserstände stets niedriger wurden, in der Türkei die Staudämme gleichzeitig immer voller wurden. Der Irak und Syrien forderten die Türkei öfter auf, die Wassermengen zu erhöhen, und bezichtigten die Türkei, Wasser als ein politisches Mittel zu nutzen. In der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien ist man der gleichen Meinung, wo man nicht nur unter einer militärischen Bedrohung durch die Türkei ist, sondern auch wirtschaftlich und im Alltag durch den Wasserkrieg der Türkei gegen die Region leidet.
Die Türkei ignoriert internationale Regeln und Verpflichtungen
Dabei weist auch die HRW im Bericht auf die internationalen Verpflichtungen der Türkei hin, wenn es um die gemeinsame Nutzung von Wasserressourcen geht. Die Türkei jedoch, so die HRW, sehe den Euphrat als eigene Wasserquelle an.
Seit 2019 sei die Türkei als Besatzungsmacht in Nordsyrien für die Wasserstation in Alouk bei der Stadt Ras al-Ain verantwortlich, die laut der UN der einzige Zugang zu Wasser von hunderttausenden Menschen in al-Hasaka ist. Die HRW kritisiert, dass die Türkei auch hier seitdem die Wasserzufuhr immer wieder abstellen oder verringern würde, wie zuletzt zwischen August und Oktober dieses Jahres. Auch die russische Vermittlung, dass im Gegenzug für Wasser aus der Alouk-Wasserstation, Strom aus der Selbstverwaltung in die besetzten Gebiete geleitet werden soll, scheinen zu scheitern, da die Türkei die besetzten Gebiete ans eigene Stromnetz anbindet.
Damaskus verhindert schnelle Hilfe
Bei der nur mühsamen Eindämmung der Auswirkungen der Wasserkrise kritisiert die HRW auch die Zentralregierung Syriens. Die Restriktionen der syrischen Regierung würden die dringend benötigte Hilfe für die Region verhindern und verzögern. Auch die versprochenen Hilfen von UN-Einrichtungen würden nicht in der Region ankommen, so dass örtliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen die UN für ihre zögerliche Haltung gegenüber Syrien kritisierten, da so die Cholera-Epidemie schlimmere Ausmaße annehmen würde. Versprochene Corona-Notfallhilfen kamen erst ein Jahr später an, nachdem sie angefordert wurden.
“Die Türkei muss die Wasserkrise beenden”
Die HRW kritisiert die diskriminierende Praxis der Hilfe Leistungen und Zugang zu Hilfslieferungen durch die syrische Regierung, die die humanitäre Krise sowie ihre Anzeichen wie den Choleraausbruch in der Region nur weiter vorantreibt.
“Dieser verheerende Choleraausbruch wird nicht die letzte Krankheit sein, die durch Wassermangel verursacht wurde, wenn die ernsten Wasserprobleme nicht gelöst werden, vor allem im Nordosten Syriens”, sagte Adam Coogle, zuständig für den Nahen Osten bei der HRW. “Die Türkei kann und muss sofort die Verschärfung der syrischen Wasserkrise beenden.”