Am 25. August begannen die Internal Security Forces (ISF) von Nord- und Ostsyrien einen großen Sicherheitseinsatz gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) im ursprünglich als Flüchtlingslager angelegten Al-Hol-Camp im Osten al-Hasakas. Nun gab die ISF bekannt, dass die Operationen in dem von knapp 56.000 Menschen bewohnten Camp beendet wurden und veröffentlichten am 17. September einen 7-seitigen Bericht zu den Absichten und Ergebnissen der “zweiten Phase der Kampagne für Sicherheit und Humanität”.
Anhaltende türkische Bedrohung verhinderte vorherigen Start
Der Sicherheitseinsatz im Camp war von langer Hand geplant, doch wegen den anhaltenden türkischen Drohungen und Angriffen musste die Priorität auf die Verteidigung der Region gelegt und der Einsatz verschoben werden. In dieser Zeit sei die Bedrohung durch den IS jedoch gestiegen, so die ISF.
Warum der Einsatz nötig wurde
Zu den Absichten hieß es, dass die Sicherheitskampagne gestartet wurde, “um die Schläferzellen des IS zu eliminieren und die Umstände zu beseitigen, die es dem IS ermöglichen Terrorattacken gegen die Campbewohner, Mitarbeitern von Hilfsorganisationen und den dem Camp schützenden ISF zu begehen.”
Dem Bericht ist zu entnehmen, dass der IS im Camp ein Klima des Terrors und der Angst aufgebaut hatte, bei der Bewohner gefoltert und getötet wurden, die sich der Terrororganisation nicht anschließen wollten. Mindestens 44 Morde und Exekutionen innerhalb des Camps wurden nur in diesem Jahr gezählt.
Parallel zu den Angriffen auf das Al-Sinaa-Gefängnis habe der IS auch hier versucht, die Kontrolle zu übernehmen, sei jedoch am Widerstand der ISF und der SDF gescheitert. Der IS habe jedoch, begünstigt durch die türkischen Attacken, immer weiter versucht, die Kontrolle über das Camp zu erlangen, so dass in der Addition dieser Geschehnisse der Sicherheitseinsatz gestartet wurde.
Frauen des IS als Schlüsselelement
Besondere Beachtung fanden die IS-Frauen und die Kinder im Bericht. Dort heißt es: “Der IS war hauptsächlich von den Frauen und Kindern abhängig, die als direkter Draht zu den IS-Anführern fungierten und für die Beibehaltung und Verbreitung der extremistischen Ideologie des IS zuständig waren.”
Die Frauen des IS waren für die Indoktrination und Rekrutierung von Frauen und Kindern verantwortlich, wozu sie propagandistische Aktivitäten wie Schulungen und Kurse organisierten. Kinder über acht Jahre wurden für Zwecke von potenziellen Terrorattacken trainiert. Der IS wollte dem Bericht nach die sogenannten “Kinder des Kalifats” und die religiöse Sittenpolizei für Frauen “weibliche al-Hisbah” wiederbeleben. Diese Versuche seien durch den Einsatz und die Verhaftung von entsprechenden Frauen verhindert worden. Eine große Rolle spielten die Frauen demnach auch bei der Kommunikation der Terrororganisation. Für die Vernetzung der verschiedenen Zellen des IS seien die Frauen essentiell gewesen. Sichergestellte Kommunikationsmittel, Dokumente und Geldsummen dienen dabei als Beleg. Unter anderem wurde durch das Beweismaterial die Kommunikationskanäle zu anderen Zellen der Organisationen in den türkisch besetzten Gebieten Syriens offengelegt, von denen die IS-Frauen im Camp Anweisungen und Geld für ihre terroristischen Aktivitäten innerhalb des Camps bekommen haben. Außerdem führten die Dokumente dazu, dass drei weitere Mittelsmänner außerhalb des Camps verhaftet werden konnten.
Waffenbeschaffung und Schmuggel im Camp
Die ISF machten auch Angaben zur Waffenbeschaffung im Camp. So sollen einige Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, insbesondere der Organisation ‘Bahar’, beim Schmuggel von Waffen, Material und sogar IS-Mitgliedern geholfen haben. Andere Waffen seien mit den Frauen und Kindern der IS-Kämpfer nach der militärischen Niederlage des IS in 2019 bei der Schlacht von Baghouz ins Camp gelangt worden sein. Außerdem habe die Terrororganisation im Camp auch selbst Waffen wie Messer, Bajonette und Folterinstrumente hergestellt.
Ezidische Frauen aus der Gefangenschaft befreit
Bei dem Sicherheitseinsatz im Camp wurden vier Frauen aus der Folterschaft des IS sowie zwei ezidische Frauen aus der Gefangenschaft des IS befreit. Im Bericht wird darauf aufmerksam gemacht, dass die YPJ, die Fraueneinheiten innerhalb der SDF, in den letzten vier Jahren bereits 200 Ezidinnen aus dem Camp retten konnte und diese Aufgabe solange weiterführen werde, bis alle ezidische Frauen gerettet worden seien. Im Jahre 2014 überfiel der IS das hauptsächlich von der religiösen Minderheit der Eziden bewohnte Sindschar im Norden des Iraks und verschleppte tausende Frauen und Kinder, nachdem es zuvor fast alle gefangen genommenen Männer und Jungen massakriert hatte.
Warnung an internationale Gemeinschaft & Rolle der Türkei
Die ISF betonte, dass trotz der türkischen Besatzungsmacht und ihrer Angriffe, die tickende Zeitbombe im Al-Hol-Camp unter großer Opferbereitschaft entschärft werden und die Lebensumstände für die Bewohner des Camps verbessert werden konnte. Die Gefahr sei jedoch nicht vorbei. Sie erinnerten die internationale Gemeinschaft an ihre Pflicht, ihre Staatsbürger zurückzuführen, damit diese nicht weiterer Radikalisierung zum Opfer fallen würden. Die internationale Gemeinschaft wurde auch von der belegbaren engen Beziehung zwischen dem türkischen Geheimdienst und den verschiedenen Zellen des IS gewarnt. Die internationale Gemeinschaft müsse die Bewegungs- und Kommunikationsfreiheit der Terrororganisation in den türkisch besetzten Gebieten unterbinden. Einige Hilfsorganisationen müssten zudem vorsichtig sein, wen sie mit ihrer Hilfe im Camp wirklich unterstützen würden, da unter der sozialen Absicht oft IS-Frauen gestärkt würden.
Danksagung & Entschluss weiter zu kämpfen
Zum Schluss wurde nochmals den während der Einsätze getöteten zwei Kämpfern gedacht und allen teilnehmenden Kräften der YPJ, SDF und der internationalen Koalition gegen den IS für ihre Unterstützung gedankt. Mit folgenden Worten schloss der Bericht ab: “Wir verkünden das Ende der zweiten Phase der Kampagne für Sicherheit und Humanität im Al-Hol-Camp. Unsere Kräfte werden weiterhin potenzielle Zellen verfolgen und Gefahren bei regulären Sicherheitseinsätzen konfrontieren, wenn nötig.”
Liste der Ergebnisse:
226 Bewohner des Camps wegen Mord oder terroristischen Aktivitäten verhaftet, darunter 36 Frauen
25 Tunnel und Verstecke, die für Ausbrüche, Schmuggel, Propaganda, Folter und Exekutionen genutzt wurden, wurden ausfindig gemacht
3 Sturmgewehre des Typs AK-47, mit denen 2 Kämpfer der SDF während der Einsätze getötet wurden, eine RPG mit zwei Raketen, zwei Pistolen, 25 Handgranaten, 25 kg TNT, 11 Schalldämpfer, 388 Schuss Munition und 10 Magazine für die AK’s, 9 Köcher sichergestellt
Eine Militäruniform der türkischen Armee
Verschiedene scharfe Waffen, wie Messer, Bajonette, Dolche und diverse Folterinstrumente
Verschiedene Kommunikationsmittel und Dokumente