Die Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegenüber Reportern auf seinem Rückflug aus der Ukraine am vergangenen Donnerstag lösten heftige Proteste gegen die Notwendigkeit einer Annäherung an das Regime von Bashar al-Assad aus, die in innenpolitischen, regionalen und sogar internationalen politischen Kreisen für Aufsehen sorgten. Darüber hinaus gab es einen klaren Hinweis auf eine politische Wende der Justiz- und Entwicklungsregierung in Bezug auf eine Aussöhnung mit der Regierung in Damaskus nach einem Jahrzehnt der Feindseligkeiten gegenüber dem syrischen Präsidenten, die sich in dem Versprechen manifestierte, ihn zu stürzen.
Diese Äußerungen waren zumindest für einige Parteien nicht überraschend, zumal der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu vor zehn Tagen dem türkischen Präsidenten den Weg geebnet hatte, als er erklärte, dass „eine Versöhnung zwischen der Opposition und dem syrischen Regime erreicht werden muss“. Dies sind Äußerungen, die eine große Welle der Wut in den Reihen der Syrer, die in den türkisch besetzten Gebieten innerhalb Syriens leben und massive Proteste in den meisten Städten ausgelöst haben, die neben der Verhaftung von Dutzenden durch den türkischen Geheimdienst und unterstellter Gruppierungen zahlreiche Opfer und Verwundete zur Folge hatten.
Die Wende der Türkei beim Gipfeltreffen in Teheran und der Abschluss der Vereinbarungen in Sotschi
Der türkische Präsident zögerte nicht, sich seit Beginn des Krieges in Syrien in die Angelegenheiten Syriens einzumischen, wobei Erdogan den Regierungschef in Damaskus mehrfach als „den Mörder von Kindern und Frauen“ bezeichnete und gleichzeitig versprach mit der Unterstützung der Gegner des Präsidenten bis zu seinem Sturz und Gebet in der Umayyaden-Moschee fortzufahren.
Der türkische Präsident unterstützte jedoch nicht die Opposition und war früher dem Al-Assad-Regime feindlich gesinnt, um die Demokratie in Syrien zu erreichen, und hatte vielmehr das Ziel, seine Bestrebungen zu erfüllen, den Ruhm des untergegangenen Osmanischen Reiches wiederzubeleben, wobei dies nicht durch die Erklärung der türkischen Regierung und einige Karten bestätigt werden konnte, die von Zeit zu Zeit in einigen Medien veröffentlicht wurden, welche mit der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung verbunden sind oder ihr nahe stehen. Ganz zu schweigen von den Militäroperationen, die von der türkischen Armee unter verschiedenen Argumenten und Vorwänden gestartet wurden, um große Gebiete des syrischen Territoriums in seinem nördlichen Teil zu kontrollieren.
Nach dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie und der trügerischen Politik des türkischen Präsidenten verschärfte die Wirtschaftskrise die innenpolitischen Probleme der Türkei, was die politische und finanzielle Krise vertiefte und zu einem Rückgang der Popularität der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung führte. Dies veranlasste Erdogan, seine Absicht anzukündigen, Anfang Mai eine neue militärische Aktivität gegen die syrischen demokratischen Kräfte in Syrien zu starten, da er versucht, seine internen Probleme zu exportieren, indem er die türkische öffentliche Meinung mit seinen Militäraktionen und Versuchen, die syrischen Flüchtlinge aus den Händen seiner politischen Opposition zu erlangen, zu okkupieren versucht.
Erdogan scheiterte jedoch trotz seiner intensiven und unerbittlichen Versuche, die Zustimmung einer der derzeit in Syrien aktiven internationalen Mächte zu erhalten, um eine Militäroperation gegen das Gebiet der Autonomieverwaltung in Nord- und Ostsyrien zu starten. Seine Äußerungen über die amerikanische Präsenz im Osten des syrischen Euphrat nach dem Teheran-Gipfel am 19. Juli verwirrten jedoch die offiziellen türkischen Medien, was sogar in eine komplett falsche Übersetzung gipfelte, als es hieß, „die amerikanischen Streitkräfte begannen mit dem Abzug aus Syrien“. Diese Übersetzung wurde später in „die Notwendigkeit der amerikanischen Streitkräfte, sich aus dem Osten des Euphrat in Syrien zurückzuziehen“ modifiziert, ein deutlicher Hinweis auf die Störung der politischen Gleichgewichte des türkischen Präsidenten mit dem Beginn eines diplomatischen Feldzugs gegen seine westlichen Verbündeten, insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika.
Erdogan enthüllte während dieser Erklärungen auch die Gespräche und Vereinbarungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin während ihres bilateralen Treffens am Rande des Teheran-Gipfels, das eine Stunde dauerte, und stellte klar, dass diese Gespräche unvollständig waren, da er einige Tage später ein bevorstehendes Treffen mit Putin im russischen Ferienort „Sotschi“ ankündigte, um die in der iranischen Hauptstadt besprochenen Themen zu vervollständigen. Das Abschlusskommuniqué des bilateralen Treffens in Sotschi offenbarte nicht die Art der Vereinbarungen, die zwischen Erdogan und Putin geschlossen wurden und die geheimen Vereinbarungen, die die beiden Parteien entgegen den Protokollen, die normalerweise in den internationalen Beziehungen behandelt werden, einzeln eingegangen sind. Allerdings wurden Handels-, Finanz- und Wirtschaftsabkommen zwischen beiden Ländern offengelegt, zusätzlich zu der Tatsache, dass die Syrien-Frage nur eine untergeordnete Säule des vierstündigen Treffens darstellt, bei dem der russische Präsident seinem türkischen Amtskollegen empfahl, eine Politik zu verfolgen, die auf Annäherung und Verständigung mit dem syrischen Regime basiert, anstatt eine neue Militäroperation auf dem Territorium dieses Landes zu starten.
Die Anzeichen und sich beschleunigenden Zwischenfälle nach dem Treffen in Sotschi machten jedoch deutlich, dass Putin Erdogan zum Paten des Abkommens über den Export von Getreide und Nahrungsmitteln aus ukrainischen Häfen auf die Weltmärkte machte und ihn als „Mann des Friedens“ im Ukrainisch-Russischen Krieg präsentierte, zusammen mit einem Schub für die Wiederbelebung der zusammenbrechenden türkischen Wirtschaft, um Erdogans Popularität zu steigern, die in der Türkei ihren niedrigsten Stand erreicht hat und um die Wiederherstellung seiner politischen Macht vorzubereiten, für den bevorstehenden Wahlkampf nächsten Juni, als Gegenleistung für die Aussöhnung mit dem syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad und die Umwandlung des türkischen Bodens in einen Auslauf für Russland, um die Auswirkungen westlicher Sanktionen loszuwerden.
Die Hauptmotive hinter Erdogans Putsch gegen die syrische Opposition und seine Versöhnung mit Al-Assad
Das türkische Regime mobilisierte alle seine diplomatischen Institutionen und Medien, um die Äußerungen von Außenminister Mevlut Çavuşoğlu über die Notwendigkeit einer Aussöhnung zwischen der Opposition und dem syrischen Regime zu rechtfertigen, zusätzlich zu den Äußerungen von Erdogan bezüglich seiner Behauptung, weitere Schritte für eine Annäherung an Al-Assad unter dem Vorwand der Notwendigkeit, mit dem Regime zusammenzuarbeiten und den Kurden in Syrien entgegenzutreten, zu unternehmen.
Einige Zeitungen und Medienseiten, die mit dem herrschenden Regime in der Türkei verbunden sind und ihm nahe stehen, behaupteten, dass „Erdogan auf dem Gipfel in Teheran geheimdienstliche Informationen über die Existenz einer kurdischen Tendenz zur Schaffung einer unabhängigen Einheit im Nordosten Syriens mit amerikanischer Unterstützung und Planung erhalten hat“,um die Auswirkungen seiner Äußerungen von Außenminister Cavusoglu zu einer Aussöhnung mit dem syrischen Regime abzumildern, die im Norden Syriens Empörung auslösten und Tausende zu Protesten in mehreren Gebieten sowie der Verbrennung der türkischen Flagge veranlassten, mit der Forderung des Abzuges ihrer Streitkräfte aus syrischem Territorium.
Erdogan hat es in den vergangenen Jahren versäumt, seine innenpolitischen Krisen zu vertuschen, indem er seine Probleme durch das Entfachen von Spannungen in den Nachbarländern ins Ausland exportierte und auf internationale Gleichgewichte spielte und manchmal in den Schoß der Ostmächte und manchmal der Westmächte fiel, indem er die geopolitische Lage seines Landes ausnutzte, bis die Angelegenheit den Punkt der Gewissheit erreichte, dass er bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in der Türkei inmitten der Verschärfung der Finanz- und Wirtschaftskrise einen unvermeidlichen Verlust erleiden wird, da die Türkei ihre Auslandsschulden nicht begleichen konnte, als Resultat der Regierungsbanken, die den größten Teil ihrer Devisenreserven verloren und hoher Inflationsraten, die mehr als 80 % pro Jahr erreichen.
Zusammengenommen haben diese Faktoren mit den Folgen der Fortsetzung der syrischen Flüchtlingsfrage und den von Ankara unterstützten syrischen bewaffneten Gruppen, die von der türkischen Opposition instrumentalisiert werden, dazu geführt, dass Erdogan ausdrücklich einen Aufruf an den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu einer Annäherung und Versöhnung gerichtet hat, wobei betont wird, dass sein Land „keine Ambitionen auf syrischem Territorium hat“. Zu dieser Einladung hat sich die syrische Regierung bis dato noch nicht offiziell geäußert.
Es scheint, dass Erdogan sich in Bezug auf die syrische Frage entschieden hat, indem er sich gemäß der russischen Vision wieder an das syrische Regime annähert und es durch die Wiederherstellung der Beziehungen in seine regionale Position zurückführt, gemäß den ersten Bedingungen, von denen die erste darin besteht, die Unterstützung der syrischen Koalition und ihrer bewaffneten Fraktionen aufzugeben, extremistische Gruppen, die Ankara auf syrischem Territorium angesiedelt hat, abzuschieben und der Regierung in Damaskus zu ermöglichen, die Kontrolle über die Grenzübergänge und -ausgänge mit der Türkei vollständig zu übernehmen. Zusätzlich soll noch eine Ausweitung des Einflusses auf der internationalen „M4 Straße“ ermöglicht werden und eine Ausnutzung des türkischen Einflusses in internationalen Foren, um westliche Sanktionen abzuschaffen erfolgen, im Austausch für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge auf türkischem Boden in Hama, Homs und Damaskus durch das Assad-Regime, als ersten Schritt und den Abschluss der Bergung aller Flüchtlinge, zusätzlich zur russischen Unterstützung für Erdogan bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen.
Wird Assad Erdogans Aufruf zur Versöhnung annehmen und seine Herrschaft vor dem Sturz retten?
Offizielle iranische Medien berichteten, dass der russische Präsident Wladimir Putin Erdogan und Bashar Al-Assad eingeladen hatte, am Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit teilzunehmen, welcher Mitte nächsten Monats in Samarkand, Usbekistan, stattfinden wird, als Versuch ein Treffen zwischen beiden Parteien zu arrangieren.
Vorausgegangen waren Berichte aus türkischen und syrischen Medien über die Anwesenheit einer Geheimdienstdelegation unter der Leitung des Chefs des türkischen Geheimdienstes Hakan Fidan in Damaskus, um Verhandlungen mit syrischen Sicherheitsbeamten zu führen, zusätzlich zu dem Willen, zusätzlich zu der Absicht des Chefs der türkischen „Heimatpartei“, Dogu Brinkek, der Erdogan treu ist, Damaskus an der Spitze einer politisch-diplomatischen Delegation einen engen Besuch abzustatten, um sich mit Assad zu treffen und zu positive Botschaften an das syrische Regime zu liefern.
Die Regierung von Damaskus hat sich ihrerseits noch nicht zu diesen drastischen Veränderungen seitens Ankaras geäußert, während der Iran durch sein Außenministerium bestätigte, dass der Weg dieser Entwicklungen positiv ist, und seine Ermutigung für einen solchen Weg betonte und erklärte: „Wir hoffen auf die Rückkehr konstruktiver Beziehungen zwischen Syrien und der Türkei. Die Wiederherstellung der offiziellen Beziehungen und die Beilegung der Differenzen zwischen ihnen liegen im Interesse beider Länder.“
Aber hier bleibt die Frage: Wird Assad ein Treffen mit Erdogan akzeptieren und was sind seine Bedingungen, um den Aufruf des türkischen Präsidenten zur Versöhnung durchzusetzen?