In einem offenen Schlagabtausch bei der Pressekonferenz zwischen Außenministerin Annalena Baerbock und ihrem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu, bekräftigte Baerbock erneut die griechische Souveränität über die Inseln in der Ostägäis. Baerbock erklärte bereits zuvor beim Besuch in Griechenland:“Griechische Inseln sind griechisches Territorium, und niemand hat das Recht, das infrage zu stellen.”
Die Türkei stellt das seit längerem in Frage und seit kurzem auch vermehrt militärisch. Türkische Überflüge mit Kampfflugzeugen über griechische Inseln sind keine Seltenheit. Das Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei ist angespannt, so dass der griechische Außenminister Deutschland für ihre Türkei-Politik kritisierte. Die deutschen Rüstungsexporte, vor allem im maritimen Bereich, würden das Kräfteverhältnis im Mittelmeer bedrohen, obwohl die Türkei Griechenland mit Krieg gedroht habe. Der türkische Präsident Erdogan kündigte erst kürzlich an, wieder im östlichen Mittelmeer nach Erdgas suchen zu wollen. Im Juni drohte er Griechenland indirekt mit Krieg und sagte: “Ich spaße nicht.” Er forderte Griechenland auf, bestimmte griechische Inseln zu entmilitarisieren. Zuletzt standen sich griechische und türkische Kriegsschiffe 2020 gegenüber.
Cavusoglu erwiderte Baerbock und sagte:“Frau Baerbock kommt gerade aus Griechenland. Ich würde sie mehr respektieren, wenn sie auch die Griechen vor der Presse an Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erinnert hätte, die die in der Vergangenheit nicht eingehalten haben.”
Außenministerin Baerbock sprach auch über die drohende türkische Militäroffensive in Nordsyrien und sprach sich gegen das Vorhaben aus.
” Die Folge von militärischem Handeln ist fast immer Not und Leid. Und das Recht auf Selbstverteidigung gilt für alle. Aber das Völkerrecht setzt ihm eben auch zurecht enge Grenzen. Dazu zählt, dass zum Recht auf Selbstverteidigung weder Vergeltung noch abstrakte Präventivangriffe zählen. Und das gilt aus Sicht der deutschen Bundesregierung eben auch für Nordsyrien”, sagte sie zu ihrem türkischen Amtskollegen.
Es ist das erste Mal, dass sich eine offizielle Vertreterin der deutschen Bundesregierung öffentlich und deutlich zum erneuten militärischen Vorhaben der Türkei äußert. Am 5. August reist der türkische Präsident Erdogan nach Russland. Russland hatte zuvor bei den sogenannten “Astana-Gesprächen” in Teheran eine militärische Offensive der Türkei in Nordsyrien abgelehnt. Vermutlich wird die Türkei einen neuen Versuch starten, um eine russische Erlaubnis einzuholen. Zwar warnte Deutschland nun die Türkei vor einem Einmarsch, doch die letzten beiden Militäroffensiven in Nordsyrien 2018 und 2019 zeigten, dass die Türkei letztlich wenig zu befürchten hat, da eine größere Reaktion seitens der Bundesregierung ausblieb.
Dennoch war der Türkeibesuch von Annalena Baerbock und die offene Konfrontation mit dem türkischen Außenminister für viele Beobachter überraschend. Der Chef der linken Oppositionspartei HDP, Mithat Sancar, lobte bei einem Treffen mit Baerbock ihre Haltung gegenüber dem türkischen Außenminister und sagte, dass es das erste Mal sei, dass sich ein deutsches Regierungsmitglied so klar äußere. Die HDP wird von der türkischen Justiz stark verfolgt. Fast alle ihre Bürgermeister im kurdischen Südosten der Türkei sind abgesetzt und ihre Kommunen unter Zwangsverwaltung des Staates gestellt. Viele ihrer Mitglieder und Abgeordnete sitzen im Gefängnis oder haben politisches Asyl im Ausland beantragt. 2023 sollen die nächsten Wahlen in der Türkei stattfinden. Die AKP-Regierung von Erdogan ist stark unter Druck.
Die HDP, über die aktuell ein Verbotsverfahren der türkischen Justiz steht, befürchtet, dass auch deshalb kurz vor den Wahlen, ihre Partei verboten werden könnte und somit an den Wahlen nicht teilnehmen könnte. Der Besuch von Baerbock bei der HDP wird in AKP-Kreisen auf Ablehnung stoßen.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie dieser Besuch und die überraschende Konfrontation mit dem türkischen Außenminister die deutsch-türkischen Beziehungen beeinflussen wird.