Türkische Regierung signalisiert bedingte Unterstützung für das syrische Regime

 

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sprach kürzlich bei einem Liveauftritt in einer Spezialsendung des türkischen Senders TV 100 über mehrere aktuelle politische Themen, unter Anderem auch über die drohende Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien.

Cavusoglu warf Russland und den USA Unehrlichkeit vor und beschwerte sich über die fehlende Unterstützung. Richtung den USA fragte er: “Wollt ihr Syrien aufteilen und diese Gruppen gegen uns unterstützen? Das müssen sie uns erklären. Es geht ihnen nicht um den Kampf gegen den IS oder so.” Tatsächlich jedoch hat die Türkei verschiedene Teile Syriens okkupiert, stellt dort seit Jahren völkerrechtlich gesehen eine Besatzungsmacht dar und unterstützt verschiedene oppositionelle extremistische syrische Gruppierungen. Somit greift die Türkei selbst in die syrische Souveränität ein und verletzt diese.

Zur russischen Abwehrhaltung bezüglich eines Einmarsches führte er fort: “Was war der Grund für Russland, um in die Ukraine einzumarschieren? Innerhalb der Ukraine sei eine Gefahr für Russland entstanden, sagen sie. So finden sie die Invasion richtig, aber wenn wir gegen Terroristen neben uns intervenieren wollen, sind sie dagegen. Das ist nicht richtig.” Russlands Krieg in der Ukraine wird als völkerrechtswidrig eingestuft. Der Vergleich des türkischen Außenministers kommt einem Überfallsrecht auch für sich selbst gleich.

Beide Mächte, Russland und die USA, sind gegen einen Einmarsch der Türkei in Nordsyrien. Russland unterstützt gemeinsam mit dem Iran den syrischen Machthaber Assad, dessen Militär nun infolge der türkischen Drohungen verstärkt an die Nordgrenze Syriens verlegt wird. Die USA sind in der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien aktiv und führen gemeinsam mit der SDF, den militärischen Kräften der Region, den Kampf gegen die Terrororganisation IS fort.

Vor einigen Tagen trafen sich die politischen Führer der Türkei, von Russland und des Irans im Zuge der sogenannten “Astana-Gespräche” in Teheran, um über die weitere Zukunft von Syrien zu beraten. Dabei machte der oberste Geistliche und zugleich Führer des Irans Chamenei deutlich, dass sie vehement gegen einen Einmarsch der Türkei sind. “Wir betrachten die Sicherheit in Syrien als unsere eigene Sicherheit und die Türkei sollte das auch tun”, sagte er nach den Gesprächen. Der Iran ist ebenfalls in Syrien auf der Seite des syrischen Machthabers Assad aktiv.

So sagte der türkische Außenminister mit Blick auf den Iran: “Was ist das Problem vom Iran? Das sind alles Terrororganisationen. Wegen Macht Differenzen untereinander gibt es verschiedene Ausführungen. Mit dem Iran führten wir in der Vergangenheit Gespräche, um die Terroristen zu säubern.”
Cavusoglu war über die aktuelle Situation sichtlich geärgert, drohte jedoch, dass andere Meinungen sie wenig interessieren würden. So sagte er: “Was andere sagen, ist nicht wichtig. Es ist unsere Aufgabe, Drohungen gegenüber unserem Land zu beseitigen.”

Cavusoglu ging sogar einen Schritt weiter und signalisierte Unterstützung für die syrische Regierung Assads, wenn diese sich den türkischen Forderungen anschließen würden: “Wir würden das (syrische) Regime bezüglich unseres Anliegens in jederlei Hinsicht unterstützen. Es ist das Recht des Regimes, eine Terrororganisation aus ihrem Land zu tilgen. Jedoch ist es nicht richtig, dass sie auch die gemäßigte Opposition als Terrororganisation betrachten.” Die Türkei gilt als einer der ärgsten Gegner der syrischen Regierung. Doch die Äußerungen von Cavusoglu beweisen, dass die Türkei bereit ist, mit der Regierung Assads zu kooperieren, falls ihre Interessen gedeckt sind. Die Türkei ist mehr an der Bekämpfung der Selbstverwaltungsbemühungen an ihren Grenzen interessiert, als an der Bekämpfung des Assad-Regimes und der Unterstützung der syrischen Opposition.
Die Türkei unterstützt und bewaffnet die anderen Gegner der Assad-Regierung, die Cavusoglu als “gemäßigte Opposition” bezeichnet. In Idlib, wo die Türkei de Facto-Schutzmacht ist, ist die international als Terrororganisation aufgelistete Hayat Tahrir Alsh-Sham (HTS) die stärkste Fraktion, jedoch offiziell von der Türkei nicht unterstützt. Vor allem in den besetzten Gebieten Nordsyriens wurden verschiedene andere Gruppierungen angesiedelt, von denen viele islamisch-extremistische Ansichten vertreten. Unter ihnen sind auch viele ehemalige und selbst gesuchte Kämpfer der Terrororganisation IS, die viele Jahre in Syrien und im Irak Angst und Schrecken verbreitete, wie Untersuchungen der Organisation “Syrians for truth and justice” ergaben.

Diese Gruppen machen nun gemeinsam mit der Türkei mobil für einen Angriff auf die Region um Tall Rifaat und Manbidsch, die an die Besatzungszonen Grenzen. Die neuerlichen Äußerungen von Cavusoglu sind ein Beweis dafür, dass die Türkei bereit ist, mit der Regierung Assads zu kooperieren, wenn im Gegenzug die eigenen politischen Interessen in der Region gewahrt werden. Die syrische Opposition ist in diesem Sinne nur Mittel zum Zweck.

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